Als ich an meinem ersten Arbeitstag in die Lindenstraße einbog, war ich sehr gespannt – wie würde mein sechsmonatiges Praktikum beim Suhrkamp-Verlag aussehen: den ganzen Tag lesen? Berühmte Autoren treffen? Einbände gestalten und Klappentexte schreiben? Oder doch eher stundenlanges Kopieren und Kaffee kochen?
… um es kurz zu machen, meine Vorstellungen kamen ziemlich gut hin. Die meiste Zeit durfte ich lesen, lektorieren, recherchieren und viel Neues lernen. Ob kopieren oder googlen, Gutachten oder Vorschautexte verfassen: Jeden einzelnen Schritt begleiten zu können, von der Idee bis zum fertigen Buch, das ist für einen Buchliebhaber wie mich natürlich sehr aufregend gewesen – oder anders ausgedrückt: der lang gehegte Traum schlechthin.
Als Praktikantin hatte ich nicht nur das Privileg, viel Zeit zum Lesen zu haben, ich hatte bei Herausforderungen und Organisatorischem immer jemanden hinter mir, der mir den Rücken stärkte. Ich wusste nie, was der nächste Tag für mich bringt, denn ich wurde fortwährend mit neuen Aufgaben überrascht. Das schönste aber an dem Beruf waren die Kollegen – Mitarbeiter, deren Herz an Büchern hängt und die in ihren Buchprojekten aufblühen, die ihre Kreativität ausleben, die das Lachen genießen und gerne mit anderen Menschen zusammen sind. Alle haben irgendwelche verrückten kleinen Eigenarten, was sie so liebenswürdig macht. Schade nur, dass der Stress manchmal doch überhand nimmt, Kollegen völlig erschöpft spät abends noch ein Manuskript einpacken und neben Mails und Telefonaten wenig Zeit zum Lesen haben.
Am deutlichsten habe ich bei dem Praktikum eins zu spüren bekommen: Lektor sein ist kein Beruf, sondern eine Lebenseinstellung. Die Schreibtische quellen vor Arbeit über, die Konkurrenz im Verlagswesen ist groß und an Managergehälter ist nicht zu denken – aber dafür: Bücher, Bücher, Bücher, wohin der Blick auch wandert … Wer das kreative Chaos liebt und wessen Herz an der Literatur hängt, der findet hier alles, was er braucht, um glücklich zu sein!
Linda Benkner