Künstliche Intelligenzen sind auf dem Vormarsch und auch auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse finden sich zahlreiche Veranstaltungen zum Thema KI. Dabei mischen sich immer wieder Faszination und Unbehagen, fürchtet der Mensch doch im Arbeitsmarkt von der digitalen Konkurrenz ausgestochen zu werden. Doch wird KI tatsächlich zur Konkurrenz für die Creative Class?
Dieser Frage gehen die Mitglieder der Kultur- und Kreativwirtschaft Hessen in ihrem ersten Panel im Rahmen der Frankfurter Buchmesse nach. Und kaum habe ich es mir auf einem der weißen Sitzwürfel gemütlich gemacht gibt Reinhard Karger (Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz) eine klare Antwort darauf: Nein.
Er begründet seine Position darin, dass künstliche Intelligenzen zwar Ergebnisse liefern können, die aussehen wie Kunst, diese aber nicht durch Empfindungen geprägt sind. Vielmehr berechnet die KI Wahrscheinlichkeiten nach der zum Beispiel ein Satz X korrekt übersetzt wird. Sie ist also nicht wirklich kreativ, denn Kreativität sucht nach neuen und überraschenden Lösungen und nicht nach den wahrscheinlichsten. Die KI bildet also ein Werkzeug, das von der Creative Class genutzt werden kann. Wie diese Nutzung aussieht, wird nach den einführenden Worten durch Herr Karger in zwei Expertengesprächen erörtert, die sich zum einen auf den Nutzen der KI für die Kunst und zum anderen für das Lektorat konzentrieren.
Kann Künstliche Intelligenz Kunst erzeugen?
Franziska Nori (Direktorin des Frankfurter Kunstvereins) und Holger Volland (Autor des Buches „Die kreative Macht der Maschinen“, THE ARTS+) werden zum Thema Kunst interviewt. Nori verweist zunächst auf die Arbeit von Ahmed Elgammal, der ein Programm entwickeln ließ, das abstrakte Kunst entwickeln konnte. Diese Kunst wurde von Befragten häufig höher bewertet, als die von Menschen angefertigte. Und das sei auch gar nicht verwunderlich. Immerhin errechnet die KI das wahrscheinlich beliebteste Produkt.
Wichtiger als das Ergebnis der KI, scheint jedoch der Mensch gemachte Input. Eine KI denkt sich nichts selbstständig aus, sondern wird mit Daten gespeist. Ihr fehlt der Körper, der Apparat um die Welt wahrzunehmen und ihren Sinn zu erschließen. Deshalb sollte die Datenauswahl selbst kritisch hinterfragt werden. Während niedrigschwellige Kunstprodukte durchaus von der KI übernommen werden, gilt es die Produkte, die uns die KI liefert neu zu interpretieren und weiterzudenken.
Künstliche Intelligenz im Lektorat
In der zweiten Expertenrunde kommen Juliane Seyhan (Programmleitung bei Springer Gabler) und Mads Pankow (Herausgeber von „Die Epilog“) zu Wort. Beide sehen eine Chance, ungeliebte Aufgaben aus dem Lektorat, wie etwa Korrekturen und das Beantworten immergleicher organisatorischer Fragen, an die KI abzugeben. Gleichzeitig haben Lektoren auch eine ganz stark persönliche Aufgabe als Ansprechpartner für ihre Autoren und nehmen einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Arbeit als reflektiert und bewusst wahr. Menschen vertrauen Maschinen hingegen lieber bei formalisierten Anwendungen, wie der Autopilot-Funktion. Komplexere Prozesse müssen zur Qualitätssicherung immer noch von einem Menschen kontrolliert werden.
Auch im Lektorat, dient die KI somit als Werkzeug. Doch mit dem Handwerk allein ist es nicht getan. Vielmehr müssen bekannte Muster in neue Formen transponiert werden, wodurch aus Urgeschichten wie der Bibel neue Phänomene wie die Filmreihe Matrix entwickelt werden.
Seyhan gibt abschließend zu bedenken, dass wir doch einiges an Vielfalt verlieren würden, wenn die Künstliche Intelligenz die Erfolgswahrscheinlichkeit bestimmter Titel errechnen und Nischenprodukte und Liebhaberstücke aussortieren würde. Denn Kreativität birgt vor allem eins, Überraschung(serfolge)!
Foto und Text: Charlotte Hütten