Unser Messereporter Julius hat sich mit Friederike Jacob, Pressesprecherin des Verlages Matthes & Seitz aus Berlin, über Trends in der Buchbranche, die Buchmesse und Ihren Beruf unterhalten.
Sie bieten auf Ihrer Website Bücher, die besonders kurz sind, für die sich also der Druck nicht lohnen würde, nur als E-Book an. Wie läuft dieses Angebot?
Friederike Jacob: Es ist ein Versuch, den wir vor vier Monaten gestartet haben. Die Idee ist, dass wir unseren Autoren, aber auch uns, die Möglichkeit geben wollen, sich schnell und aktuell zu Themen zu äußern und zu Diskussionen beizutragen, ohne dass wir durch den ganzen Aufwand einer Buchproduktion gehen müssen. Und ohne dass die Texte eine Länge haben müssen, die für den Buchdruck taugt. Diese Texte sind zwischen 10 und 15 herkömmlichen Buchseiten lang, da würde man kein Buch drucken. Außerdem ist das eine schöne Möglichkeit, etwas Aktuelles zu machen. Wir haben zum Beispiel einen Titel darüber im Programm, was die viel diskutierte Datensammlung für unsere Gesellschaft bedeutet, außerdem einen Titel, der sich fragt, wie die E-Book-Produktion das Wesen des Buchs verändert.
Sie haben viele ziemlich aufwendig gestaltete, edle Bücher auf dem Markt. Setzten Sie auf diese Art des Buches oder doch eher auf das E-Book?
Jacob: Wir glauben auf jeden Fall an das Nebeneinander. Wir glauben nicht daran, dass das gedruckte Buch nicht mehr existieren wird. Wir bieten aber trotzdem viele unserer Bücher als E-Books an, einfach weil wir aus unseren eigenen Leseerfahrungen und derjenigen von den Leuten um uns herum merken, dass jedes Buch seine Situation braucht. Wenn man unterwegs ist, lade ich mir vorher fünf E-Books auf meinen Kindle und möchte nicht unbedingt fünf aufwendig gestaltete Bücher, auf die ich aufpassen müsste, mit mir rumschleppen.
E-Books kosten heute meist genauso viel wie die gedruckte Ausgabe. Werden E-Books bald billiger?
Jacob: Da will ich keine generelle Prognose treffen. Ich glaube, was man bei E-Büchern unterschätzt, ist die Arbeit, bis ein Buch fertig ist. Das sind ja nicht nur das Papier und der Druck, sondern da steckt ja das Aussuchen von Autoren, das Lektorat, sehr intensive Arbeit drin, bevor der Text überhaupt in die Form kommt, in der er potenziell gedruckt werden würde. Und dann betreue ich als Pressesprecherin die Bücher natürlich, nachdem sie veröffentlicht sind. Insofern würde ich davon ausgehen, dass wir als Verlag versuchen werden, für unsere Autoren weiterhin gute Gehälter zu bezahlen und deren Arbeit angemessen zu honorieren. Daher ist es nicht zu erwarten, dass wir E-Books für einen Euro rausschleudern können.
Was war bisher eigentlich ihr persönliches Highlight auf der Buchmesse?
Jacob: Mein Highlight waren auf jeden Fall überraschende Gespräche mit Leuten, sei es mit Journalisten oder auch mit Besuchern, wenn sich irgendwelche witzigen Situationen ergeben. Außerdem natürlich auch die ganzen Abendaktivitäten, die Empfänge und Partys am Abend. Dann natürlich auch, Kollegen zu treffen.
Gibt es große Unterschiede zwischen der Leipziger und der Frankfurter Buchmesse?
Jacob: Die Buchmesse in Leipzig ist kleiner, ein bisschen persönlicher. Das hat weniger stark diesen Messehallencharakter wie hier.
Steht hier in Frankfurt also eher der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund?
Jacob: Es ist auf jeden Fall ein Branchentreffen und natürlich eine Veranstaltung für Leser. Für uns Verlage ist es aber auch wichtig, die ausländischen Verleger zu treffen, sich gegenseitig Rechte anzubieten, die Kontakte zu pflegen, zu schauen, was machen die anderen. Wir verlegen zum Beispiel französische und russische Literatur, treffen uns mit deren Ansprechpartnern und fragen, was sie Neues haben.
Apropos Buchbranche: Ihre Bücher sind eher nicht bei Thalia & Co. zu finden, sondern vor allem in kleineren Buchhandlungen. Viele von ihnen kapitulieren vor den großen Ketten und dem Online-Geschäft. Haben Sie schon Wege gefunden, wie Sie den Vertrieb in Zukunft gestalten möchten?
Jacob: Was wir schon länger anbieten ist, dass die Bücher über unsere Website bezogen werden können, weil wir auch eine große Backlist haben mit Büchern, die nicht jeden Tag gekauft werden. Das ist auf jeden Fall ein Service, der nicht so besonders üblich ist. Klar haben wir auch traurige Fälle, dass Buchhandlungen, die ein sehr ausgewähltes Programm haben, zumachen müssen. Andererseits gibt es ja immer noch die üblichen, die Vorreiter, die bestehen. Eine ausgefeiltere Strategie, wenn weitere schließen, haben wir ehrlich gesagt noch nicht.
Wie genau sieht eigentlich Ihre Arbeit als Pressesprecherin eines Verlages aus?
Jacob: Ich mache, wie es bei kleineren Verlagen öfter ist, sowohl Presse- als auch Veranstaltungsarbeit. Veranstaltungen haben für uns immer zwei Zwecke: Zum einen wollen wir den Lesern die Möglichkeit bieten, unsere Autoren zu sehen und zu hören, zum anderen dient es dient es natürlich auch unserer Autorenpflege. Ein Autor gehört ja auch als Autor und nicht nur als ein einziges Buch zu unserem Verlag.
Wie sind Sie überhaupt an Ihren Job gekommen?
Jacob: Es ging eher über Umwege. Wahrscheinlich, wie es öfter so ist, bin ich bin über Zufälle und Wer-kennt-Wen dort reingekommen. Was es natürlich für den Nachwuchs schwierig macht, weil es schwer zu kontrollieren ist.
Also spielt Vitamin B eine große Rolle?
Jacob: Vitamin B wäre jetzt zu viel gesagt, weil das nach Strippenziehen im Hintergrund klingt. Ganz konkret bin ich an den Verlag gekommen, weil ich die Übersetzerin von einem unserer Autoren kenne. Die wiederum hörte dann, dass eine Stelle frei wird. Und dann hat sie mich empfohlen, der Verleger rief mich an, wir haben uns gut verstanden und so bin ich zu meinem Job bekommen. Ich kann leider auch keinen richtigen Tipp geben, weil da immer viele Zufälle mitspielen. Ich glaube, meine Lehre aus meinem ganzen Berufseinstig ist, dass man versuchen soll, sich nicht zu sehr zu stressen. Es wird sich schon irgendwann etwas Passendes finden, ich habe zwischendurch auch mal was anderes gemacht, was gar nichts mit der Verlagsbranche zu tun hatte. Wenn man das aber möchte, dann tun sich immer irgendwann doch noch Türen auf.
Also sollte man den Glauben an sich selbst nicht aufgeben?!
Jacob: Vielleicht, oder wenn mal eine Zeit lang die Türen zu sind, heißt das nicht, dass man nicht doch wieder irgendwo hinkommen kann.
Was haben Sie eigentlich studiert?
Jacob: Ich habe Slawistik studiert, also slawische Kultur, Russisch und Serbisch.
Würden Sie wieder diesen Weg wählen?
Jacob: Ja, ich fühle mich sehr wohl, es ist ein sehr schöner Verlag, ich habe nette Kollegen, einen tollen Verleger.
Wahrscheinlich geht es in Ihrem Verlag eher familiär zu?
Jacob: Genau, wir sind ein Verlag und kein Unternehmen. Unser Verleger sagt den schönen Satz: „Wenn ein Verlag so groß ist, dass nicht alle Mitarbeiter alle Bücher lesen können, ist es kein Verlag mehr, sondern ein Unternehmen.“ Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn ein Verlag Unternehmenscharakter hat, aber wir sind auf jeden Fall ein Verlag.
Frau Jacob, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Julius Berger