von Stefan Katzenbach

Anne Weber hat mit ihrem Buch „Annette, ein Heldinnenepos“ den Deutschen Buchpreis gewonnen. Im Vordergrund stand für die Autorin die Frage danach, wie sie der historischen Figur und titelgebenden Protagonistin Anne Beaumanoir gerecht werden kann.

Die erste Begegnung

An ihre erste Begegnung mit Anne Beaumanoir kann sich Anne Weber noch gut erinnern: „Vor ein paar Jahren war ich eingeladen zu einem kleinem Dokumentarfilmfestival in Südfrankreich“, dort war Beaumanoir als Rednerin anwesend. „Ich war sofort eingenommen von ihr, wollte sie kennenlernen“, so Weber bei ihrem Auftritt auf der ARD Buchmessebühne am 14. Oktober 2020 im Rahmen der Frankfurter Buchmesse. Bei dem gemeinsamen Abendessen sei man dann ins Gespräch gekommen. Dort habe Anne Beaumanoir Anne Weber dann ihre Geschichte erzählt. Die ist bewegend: Mit 18 oder 19 Jahren sei die mittlerweile 97-Jährige in die Resistance eingetreten und habe bei einem ihrer ersten Einsätze zwei jüdische Jugendliche gerettet. Eine Szene, die später den Weg in Webers Buch fand und für die Autorin die „Beharrlichkeit“ und den „Sinn für Gerechtigkeit“ ihrer Titelheldin unterstreicht. Schließlich war dieser Einsatz nicht ohne Risiko, einerseits für Beaumanoir, andererseits für die Resistance selbst. Denn Alleingänge waren damals eigentlich verboten, zu hoch die Gefahr dabei verhaftet zu werden und mit einem Geständnis die ganze Gruppe in Lebensgefahr zu bringen. Die Darstellungen solcher Entscheidungen ihrer Protagonistin, die „im Nachhinein vielleicht übereilt erscheinen“, durch ein „tatkräftiges Leben“ (Weber) aber mit sich gebracht würden, waren für Anne Weber auch deswegen wichtig, weil sie die Ambivalenz ihrer Heldin zeigen wollte, besonders während deren Zeit im Kampf für den algerischen Front National. Schließlich hätte der nicht nur gewaltlos Widerstand geleistet, sondern auch Bomben in Cafés gelegt und dabei Unschuldige getötet. Die Frage, ob man das in Kauf nehmen müsse, hätten sich Anne Weber und Anne Beaumanoir gleichermaßen gestellt.

„Darf ich alles mit dieser Frau und ihrer Geschichte machen?“

Anne Beaumanoirs Engagement in Algerien erscheint ohnehin einigermaßen rätselhaft, schließlich besuchte sie das Land nur für einen Urlaub bei Freunden und habe nichts von den Problemen Algeriens gewusst. Um das Land selbst sei es ihr auch nicht gegangen, glaubt Weber, sondern um die Unterdrückung durch ihr französisches Heimatland: „Für sie war es schmerzvoll, weil sie als Französin mit unterdrückte in diesem Land.“ Auch wegen dieser scheinbaren Widersprüchlichkeit war es für Anne Weber zunächst schwer eine Form für ihr Buch zu finden: „Wie kann ich denn erzählen von einer Frau, die es wirklich gibt?  Darf ich alles mit dieser Frau und ihrer Geschichte machen? Bin ich hier die Schriftstellerin und schreibe einen Roman und male alles aus?“ Für Weber schlussendlich keine Option: „Ich konnte es mir nicht vorstellen und hätte das anmaßend und unredlich gefunden.“ Eine Autobiographie habe sie aber auch nicht schreiben wollen, weswegen sie auf die alte Form des Versepos verfallen sei, das sie dann zum Heldinnenepos umgearbeitet hat.