Zum zweiten Mal fand in Hamburg das eBookCamp statt. Charlotte berichtet für die Jungen Verlagsmenschen.
Auf zum 2. eBookCamp! Zur Begrüßung treffe ich im betahaus Hamburg auf freundliche Gesichter, alte Bekannte und leckere Kürbis-Ingwersuppe. Die Organisatoren des Camps, Andrea, Carsten, Felix, Janina und Ute haben ganze Arbeit geleistet. Die Atmosphäre ist entspannt, der Raum gut gefüllt. Die 70 Tickets für das eBookCamp waren am ersten Verkaufstag bereits vor Monaten ausverkauft. Neun E-Book-Sessions zu Herstellung, Vertrieb, Piraterie, Ästhetik, Funktionalität, Konzeption … von E-Books stehen auf dem Programm. Wie alle anderen Teilnehmer darf ich daraus meine drei Favoriten wählen (ganz schön schwer, am liebsten wäre ich überall dabei). Dann werden die Sessions auf die Räumlichkeiten verteilt und ich tauche ein in die E-Book-Welt.
Quo vadis, E-Book? Im Vortrag von Steffen Meier (Leiter Online beim Ulmer Verlag) jagt eine Idee die nächste. Was kann ein E-Book heute nicht alles sein: eine nichtlineare Geschichte, ein Werk im Beta-Zustand, zielgruppenbasiert, transmedial, sozial, ein Game, ein Wiki, ein knappes Gut – oder ganz großes Kino? Auch die Vertriebsmodelle lassen sich laut Steffen noch um einiges kreativer gestalten als sie es heute sind. Bezahlen nach persönlichem Gusto (Problem heute noch die Buchpreisbindung), Sammelkarten zur Kundenbindung oder besonders interessant für Fachinformationen: lifelong updates. Vedat Dimirdöven (Projektleiter IT / Digitale Medien bei Kiepenheuer & Witsch) berichtet aus der Praxis. Nicht immer, so mein Eindruck, gelingt es jedoch, kompliziert gesetzte Printwerke überzeugend ins digitale Format zu überführen. Andererseits eröffnet digitale Medien aufregende Möglichkeiten: Texte lassen sich völlig neu konzipieren, denken und darstellen.
Kaffeepause. Alle freuen sich über die leckeren Törtchen. Währenddessen plaudere ich mit Sarah Mirschinka (Verantwortliche für Marketing und Vertrieb bei dotbooks) über den Einsatz von Social Media. In der sich anschließenden Session führt Sarah die Zuhörer in die digitale Welt von dotbooks. Der Verlag veröffentlicht Unterhaltsliteratur und bedient alle Genres von Fantasy bis Erotik. Auch Essays bekommen hier eine Chance. Die Besonderheit: Alle Bücher erscheinen zuerst als E-Book. Bei dotbooks rechnet man damit, dass in Deutschland das E-Book das Taschenbuch innerhalb der nächsten drei Jahre ersetzen wird. Sechs Mitarbeiter, darunter zwei Lektoren stemmen ein beachtliches Programm von etwa 20 Veröffentlichungen monatlich. Das stürzt mich als Lektorin dann doch ins Grübeln: Wie schaffen die das? Schreiben E-Book-Autoren bereits druckreif oder sind E-Books einfach kürzer? Noch dazu spricht der Programmleiter höchstpersönlich bei Facebook. Der Schaffensprozess soll öffentlich gemacht werden. „Am besten aber“, so schließt Sarah, „ist es, wenn Leser und Autoren in direktem Kontakt stehen.“
Die letzte Session, an der ich teilnehme, leitet Jan Krutisch (Softwareentwickler aus Leidenschaft).
Jan präsentiert zahlreiche Ideen, wie sich Content heute im Netz neu erfinden lässt. Ein gemeinfreies Buch wie Nils Holgersson etwa würde mit Google Maps einen spannenden Mehrwert für den Leser bieten. Heiß diskutiert wurden auch Grenzen und Möglichkeiten von Narration zwischen EPUB-Format und Website. Wie abgeschlossen oder vernetzt sollen Texte sein? Und welche rechtlichen Probleme ergeben sich bei der Verwertung gemeinschaftlich im Netz geschriebener Texte?
Nach Abschluss der letzten Session treffe ich mit den anderen Teilnehmern bei Bier und belegten Broten wieder zusammen. Eine wunderbare Gelegenheit, um an Diskussionen aus den Sessions anzuknüpfen, mit neuen Leuten ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, wie digitales Denken in anderen Verlagen Einzug hält. Mal verordnet es die Konzernleitung, mal kommt die Revolution von unten. Eins aber ist sicher: Sie kommt …
2013 soll es wieder ein eBookCamp in Hamburg geben. Laut nachgedacht wurde an dem Abend auch über ein weiteres eBookCamp im Süden, denn We Are Electrified!
Charlotte Reimann