Halle fünf steht am Messefreitag im Zeichen des von der Leipziger Buchmesse und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels veranstalteten Karrieretags Buch und Medien. Die Stuhlreihen vor der Fachforum-Bühne sind im Handumdrehen belegt, zahlreiche Neugierige machen es sich auf dem Boden bequem, um der Podiumsdiskussion „Viel mehr als Lektorate – Neue Berufsprofile in der Buchbranche“ zu lauschen. Auf dem Podium: Sarah Lange (S. Fischer Verlag), Karla Paul (Hoffmann und Campe), Angelika Schaack (Hörcompany) und Volker Oppmann (LOG.OS / Onkel & Onkel). Die Moderation übernehmen die Börsenblatt-Redakteure Stefan Hauck und Kai Mühleck.
Karla Paul erklärt ohne Umschweife, für sie sei die Vorstellung, im Lektorat zu arbeiten, eher langweilig, sie ziehe den direkten Austausch der Schreibtischarbeit vor. Wie sie mit der permanenten Veränderung Schritt halte? „Meinen Job gab es vor einem Jahr noch nicht“, so die Verantwortliche für das E-Book-Programm bei Hoffmann und Campe. Paul sieht gerade in der Veränderung der Buchbranche die Möglichkeit, selbst Trends zu prägen. Für sie ist die Frage, wie Literatur in den nächsten Jahren aussehen wird, besonders spannend. Dabei wünscht sie sich mehr Kreativität innerhalb der Verlage, denn das Buch einfach ins Internet zu übersetzen, um ein E-Book herzustellen, hält sie für einen Fehler. Wichtig seien Selbstkritik und der Blick in andere Bereiche: Wie machen das die Musik- oder die Gamer-Branche?
Auch Hörbuch-Verlegerin Angelika Schaack betont den Blick über den Tellerrand: „Es entstehen durch die Veränderung neue Felder, etwa Blogs.“ Schaack erlebt ihren Arbeitsalltag als „sehr bunt“: Viel lesen, Skripte prüfen, das Programm auswählen seien genauso Aufgaben wie die Presse-Arbeit und das Erstellen ansprechender Booklets für die Hörbücher. Im Studio übernimmt sie die Regie. Schaack brachte das entsprechende Rüstzeug, wie sie es nennt, bereits mit zur Hörcompany, da sie früher die Dialog-Regie für Zeichentrickfilme übernahm.
Im Laufe des Podiumsgespräch kristallisiert sich die Frage nach eben jenem Rüstzeug für den Einstieg in die Buchbranche als Hauptthema heraus. Welche Fähigkeiten und Talente sollte jemand mitbringen, der den Einstieg wagen will? Neugier, Kritikfähigkeit und Selbstbewusstsein sind laut Herstellerin Sarah Lange unerlässlich. Im Bereich Herstellung gehört auch ein gewisses technisches Verständnis dazu. Verlegerin Schaack ermutigt zu „learning by doing“ und ist der Ansicht, Leidenschaft für einen bestimmten Bereich, Beharrlichkeit und auch Geschmack seien wichtig: „Ein Verlag ist von seinem Profil geprägt. Durchschnitt geht da gar nicht.“ Karla Paul ergänzt, man solle mutig sein, da man immer auf Menschen zugehen und für Ideen und deren Umsetzung kämpfen müsse. Die dazu nötige Geduld habe sie erst lernen müssen, das sei aber möglich. Jeder bringe bestimmte Bausteine mit, der Rest sei eine Frage des Lernens. Ihr Rat an Verlagseinsteiger: „Wenn ihr das wirklich wollt, macht es einfach!“
Volker Oppmann, der nicht nur Verleger bei Onkel & Onkel ist, sondern auch mit LOG.OS eine gemeinnützige E-Book-Plattform aufbaut, empfiehlt Offenheit, sich auf Dinge einzulassen. „Nicht aufgeben“ lautet auch sein Tipp, denn „viele Sachen zahlen sich erst nach fünf Jahren aus. Sucht etwas, das ihr gerne macht, und hört auf euer Bauchgefühl!“ Dies gilt auch bei der Frage, ob und wie lange es für einen persönlich in Ordnung ist, etwa ein un- oder unterbezahltes Volontariat anzunehmen. Die ersten fünf Jahre, so Paul, habe sie meist ohne Bezahlung gearbeitet, doch sie wisse nicht, ob sie dies heute jemandem empfehlen würde. „Ich bin gegen diese unbezahlte Arbeit“, erklärt Schaack, gibt aber auch zu bedenken, dass es eine Frage des Abwägens sei. „Was bringt mir das? Wie weit kann ich gehen?“ Eine Möglichkeit, die Sarah Lange zum Einstieg in die Verlagswelt nutzte, sind bezahlte Nebenjobs, etwa während des Studiums. Dies sei auch von Vorteil, wenn der Bereich nicht der sei, den man später anstrebe.
Verschlungene Wege sieht niemand auf dem Podium als Nachteil. Paul betont: „Wir freuen uns auch auf Menschen, deren Lebensweg nicht so gerade war.“ Noten und Zeugnisse übrigens zählen weniger als die Praxis und die Frage „was kann ich wirklich?“, darin sind sich alle einig. Paul etwa hat seit einem Isar-Hochwasser in München kaum noch offizielle Zeugnisse, die Kartons mit den Papier-Dokumenten fielen dem Wasser zum Opfer. Es hinderte Paul nicht daran, Verantwortliche für digitale Bücher eines Verlags zu werden. Angelika Schaack ergreift das Mikrofon zum Schlusswort, das zwei Stunden Diskussion zusammenfasst: „Toi toi toi!“
Kristina Detemple