Stimmengewirr, Gedränge an der Tür, jeder sucht jeden, bekannte Gesichter, große Namen. An der Wand im ORF-Studio blickt eine der größten Schriftstellerinnen der deutschsprachigen Literatur in die Menge: das Porträt Ingeborg Bachmanns in Stahl gehämmert, sich glänzend und schimmernd im Licht der Scheinwerfer erstreckend. Reinhard Taurer gab dem von ihm entworfenen Bühnenbild für das diesjährige Wettlesen in Klagenfurt den Namen „Jurassic Stage“: Echsen, Lindwürmer und Saurier symbolisieren den Beginn des Lebens auf der Erde. Mit dem Leben kamen die Menschen. Und mit den Menschen die Kunst. Kunstschaffende Menschen, die unsere Gegenwart literarisch einfangen. Diese Kreativen sind unter uns. Und in diesen Tagen in Klagenfurt. Sie zeigen, was Gegenwartsliteratur für sie ausmacht und bieten ein breites Spektrum. Das hat bereits der erste Tag der Lesungen bewiesen.
Roman Marchel knüpfte mit seinem Text (ungewollt) an das Bühnenbild an: Erinnerungen als Fossilien. Glücklicher Beginn einer Ehe. Älterwerden. Sterben. Flucht in die Vergangenheit. Sich dem Vergessen beugen?
So still das Videoportrait von Kerstin Preiwuß war, desto mächtiger wirkte der Inhalt ihres Textes: Kriegstraumata. DDR-Vergangenheit. Familiendrama. Aggressiver Vater. Nerzzucht. Bewältigung von Traumata und Schuld über die Generationen?
Dass Kafka ein großes Vorbild für Tobias Sommer darstellte, zeigte sich bereits zu Beginn seiner Lesung. Im Text drehte sich alles um das Thema Steuerprüfung: Ein Künstler. Geringes Einkommen. Rechtfertigung vor dem Steuerprüfer. Machtgefälle?
Stehend und energetisch trug Gertraud Klemm eine Familiengeschichte vor: Eine Frau. Mutter. Erschöpfung. Überlastung. Sexuelle Annäherungsversuche des Mannes. Unangenehm. Dennoch „Ja“ zum zweiten Kind. Mutterglück?
Olga Flors Lesung bildete den Abschluss des ersten Tages und sie knüpfte (ungewollt) an die Thematik der Erzählung von Gertraud Klemm an: Eine Frau. Erschöpft. Wiedersehen mit einem verflossenen Liebhaber. Erinnerungen an die Vergangenheit. Leidenschaft. Schmerz. Analverkehr. Liebe?
Von Halyna Pasychnik und Kathrin Serong