re:publica heißt Einladung zur Diskussion und zur Selbstreflexion: Wie verhält sich mein digitales ICH? Wie konsumiere ich digitale Inhalte, wie stehe ich zur Netzpolitik, Datenschutz, Überwachungstechnologien, Netzneutralität, digitalen Ungehorsam und was sind meine Wünsche, meine Bedürfnisse ans Mediale? Die re:publica lädt schon seit 13 Jahren die digitale Gesellschaft ein, dem Zusammenspiel von Technologie und Gesellschaft auf den Grund zu gehen. Wir, die Digitalen, kommen zusammen, debattieren über Internetfreiheit, über Community Netzwerkre, ePrivacy, Social-Media-Plattformen und wie wir im Diskurs und in den Kommentar-Beiträgen miteinander umgehen.

© Sabrina Pöhlmann

Das Motto der diesjährigen re:publica war ganz in diesem Sinne: tl;dr – kurz für too long, didn’t read und legte damit den Fokus auf einen wichtigen Punkt: Für den Diskurs braucht es die Auseinandersetzung, das IN DIE TIEFE gehen.

Ein Motto, das zum Denken anregt

Als viellesende Buchmenschen fragten wir uns daher in den drei spannenden rp19-Tagen diverse Fragen rund um unseren digitalen Konsum. Scrolle auch ich über Artikel zu schnell hinweg? Nehme ich Inhalte nur noch als Oberfläche und Schlagzeile wahr? Haben Emoticons mein Schreibverhalten verändert?

Das mediale Angebot bringt einen enormen Zuwachs an Inhalten – verschiedenste Medien streiten um die Aufmerksamkeit der LeserInnen und wissen, dass ein Bild die Aufmerksamkeit mehr bindet als reiner Text. Die Historie der digitalen Plattformen zeigt, wie die digitale Gesellschaft sich vom ausführlichen Text hin zum Bild bewegt: Vom Blogbeiträgen zu kürzeren Facebook-Posts zu prägnanten Tweets und schließlich zum bildbasierten Instagram als analphabetisiertestem Medium.

© Sabrina Pöhlmann

Als nahezu mahnendes Beispiel schwebte über den Köpfen der Besucherinnen und Besucher quer über das Gelände der STATION die auf Stoff gedruckte, 480 Meter lange Gesamtausgabe von Herman Melvilles „Moby Dick“. Der typische Würfel im Innenhof bestand aus zusammenschnürten Altpapier. Ein riesiges Bücherregal stand zum Austausch von Literatur zur Verfügung (Super Sache, liebe re:publica!).

Mehr Diskurs auch mit dem Nachwuchs

Mit dem Titel „re:publica Next Generation“ wurden außerdem neue Formate für und mit Jugendlichen angeboten, um junge Menschen weiter zur gesellschaftlichen Teilhabe zu inspirieren und auf die Themen des Nachwuchses aufmerksam zu machen. Deshalb fand die Jugendkonferenz TINCON erstmals zeitgleich zur re:publica statt und zog sowohl das junge Publikum als auch die ältere Netzgemeinde ins benachbarte Kühlhaus.

Aus unserer Sicht war die diesjährige re:publica in allen Formen einmal mehr ein Aufruf gegen den Zeitgeist in der politischen, digitalen, demokratischen Diskussion von Verknappung und Worthülsen, von Vereinfachung und falschen Zusammenfassungen, die gerade rechten Bewegungen dienen sich auszudrücken, hin zu Differenzierung und Abwägung, Zuhören und Ausführlichkeit. Tl;dr ist auch über die #rp19 hinaus ein leidenschaftlicher Appell der Langform wieder seine Liebe zu schenken, zu recherchieren und die Lust an den Fußnoten zu entdecken.

Lina Scherpe, Sabrina Pöhlmann