Studie: Listen & ReadMedienunternehmen kämpfen um die Zeit der Nutzenden
The Battle for Attention is everywhere! Zumindest auf den ersten Blick

von Svenja Kordmann

Wohin geht die (digitale) Aufmerksamkeit? Podcast oder Audiobook hören oder doch lieber ein E-Book lesen? Welches Format hat die Nase vorn? Diesen Fragestellungen widmet sich der Digitaldienstleister Bookwire.

Das 2009 gegründete Unternehmen bezeichnet sich als Partner für Digital Publishing. Für etwa 1.600 Verlage werden E-Books, Print-on-Demand-Titel und Audiobooks produziert bzw. vermarktet. Im Arbeitsalltag taucht immer wieder die Frage auf, was die Endkonsumenten wirklich bewegt. Auf der Frankfurter Buchmesse präsentierten sie am 15. Oktober 2020 nun die eigens entwickelte Studie zu digitalem Medienverhalten. Die Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH befragte in ihrem Auftrag von August bis September 2020 insgesamt 2.335 Personen zwischen 16-65 Jahren in einem Online Access Panel quotenrepräsentativ (Alter, Geschlecht, Bundesland) in einem zweistufigen Prozess.

Wechselwirkung statt Kannibalisierung

In einem Vortrag des digital publishing reports auf der digitalen Frankfurter Buchmesse erzählt John Ruhrmann (Managing Director und Co-Founder von Bookwire) von den Erkenntnissen aus dieser Studie. Beispielsweise seien E-Books, Audiobooks und Podcasts mittlerweile im Mainstream angekommen. So nutzen 21 Prozent der User:innen alle drei Formate gleichermaßen. Dabei kannibalisieren sich die drei Formate gegenseitig kaum. Lediglich 14 Prozent der Nutzenden gaben an, die Medienart auf Kosten eines der anderen beiden Medien zu konsumieren. Im Gegenteil: Sie stehen in sich gegenseitig verstärkender Wechselwirkung. So gaben 28 Prozent der E-Book-Nutzenden an, aufgrund dieses E-Book-Konsums ein bestimmtes gedrucktes Buch gelesen zu haben. Auch Podcast-Hörende werden oftmals inspiriert, E-Books oder gedruckte Bücher zu lesen. Das bedeutet im Umkehrschluss ebenfalls: E-Books lassen Raum für Print. 31 Prozent der Nutzenden gaben gedruckte Bücher als ihr Lieblingsmedium an, 24 Prozent E-Books.

Zielgruppe: X,Y,Z oder doch Boomer?

E-Books sind gerade bei der Generation X (40-55 Jahre) und den sogenannten Boomern (56-65 Jahre) beliebt, wohingegen bei den Generationen Z (16-24 Jahre) und Y (25-39 Jahre) eher Podcasts und digitale Audiobooks konsumiert werden. Es ist also auch eine Frage des Alters. Gerade in der Altersspanne von 25-55 Jahren gibt es laut der Studie sogenannte Crossmedia-Profis, die verschiedene Formate nutzen. Die jüngere Zielgruppe bevorzugt Premium-Angebote vor Einzelkäufen. Wer sie erreichen möchte, komme demnach an den gängigen Audio-Plattformen nicht vorbei. Spotify spricht beispielsweise mit seinem Spotify-Family-Angebot diese Zielgruppe speziell an. Auch in der Studie bestätigt sich: Familien sind besonders medienaffin. Im Schnitt leben 43 Prozent der sogenannten „Heavy User“ (Nutzung von E-Books, Audiobooks und Podcasts) in Familien. Bei Kindern untern 15 Jahren werden Audiobooks am meisten nachgefragt.

Discoverability: Und woher kommst Du?

Die Entwicklung zeige ebenfalls auf, dass bereits 3-5-jährige Kinder die Inhalte selbst (2%) bzw. gemeinsam mit einem Elternteil (62%) aussuchen. Die Auffindbarkeit bzw. Discoverability spielt demnach eine wichtige Rolle. Aktive Suche vs. passives „aufmerksam werden“: Bei der aktiven Suche sind Suchmaschinen und die Websites und Apps der Anbietenden die erste Wahl. Bei der passiven Auffindbarkeit werden etwa 34 Prozent durch Vorschläge in der App gefunden. 42 Prozent der User:innen werden zudem durch Empfehlungen von Familie oder Freunden auf die Medien aufmerksam.

Podcasts mit Vision

Gleichzeitig haben Podcasts treue Hörer:innen. Etwa 70 Prozent der User:innen hören die Hälfte ihrer abonnierten Podcasts regelmäßig. Für Buchverlage hat Ruhrmann einen Tipp: „Ein Podcast braucht eine eigene Vision.“ Es gehe darum folgende Fragen zu klären: Was ist das Thema des Verlages? Und wo entsteht ein echter Nutzen? Ruhrmann ist der Meinung: „Das richtige Podcast-Thema in der richtigen Nische, richtig vermarktet wird immer funktionieren.“ Ob auf dem Weg zur Arbeit, bei Tätigkeiten im Haushalt oder beim Sport, hier etablieren sich die mobilen Vorteile. Digitale Audiobooks und Podcasts sind meist Begleitmedien. Per Kopfhörer, Musikanlage oder smartem Lautsprecher bieten sie Unterhaltung in den verschiedensten Situationen. Smartspeaker gewinnen weiter an Relevanz. Auch Apple baut sein Angebot an Siri-Lautsprechern aus.

Was nun?

In seinem Fazit spricht Ruhrmann Empfehlungen auf Grundlage der erhobenen Daten aus:

Eine Multi-Format-Strategie sei ein Muss. Außerdem benötige jede Altersgruppe eine eigene Ansprache. Dabei gehe es auch darum, einen sogenannten Audience Flow zu erzeugen – einen fließenden Übergang von einem Medium in das andere. Sei selbst die Veränderung oder „Cannibalize yourself before others do“, das raten die Autor:innen der Studie. Zudem spiele es eine wichtige Rolle darauf einzugehen, in welchem Kontext Medien konsumiert werden. Das Format sollte mit der Nutzungssituation abgestimmt sein und korrelieren. Deshalb sollte in jedem Fall medienübergreifend gearbeitet werden.

Make love not war!

„The Battle for Attention findet nahezu nicht statt!“, so Ruhrmann, der auf seiner letzten Präsentationsfolie eine Friedenstaube zeigt. Allerdings sei die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Medien ein relevantes Thema. Es gebe in allen Altersstufen noch Potential nach oben. Unternehmen könnten demnach ihre Strategie in Frieden entwickeln und auf sich selbst und das „Jetzt“ konzentrieren. Also: Make love, not war! (Mit Mindestabstand, versteht sich.) Oder wenn es nach Banksys Spraydose geht: Lieber einen Blumenstrauß werfen.

Bookwire plant die Studie in dieser oder einer anderen Form fortzusetzen.
Hier geht’s zur ausführlichen Studie: https://landing.bookwire.de/listen-read