Im Pressegespräch berichten Alexander Skipis (Börsenverein), Peter Kraus von Cleff (rowohlt Verlagsgruppe), Armin Gmeiner (Gmeiner Verlag) und Hans Huck (KNV, AKEP) über den aktuellen Stand der Entwicklung zum Thema Digitalisierung in der deutschen Buchbranche.
Strategien und Herausforderungen
Alexander Skipis ist skeptisch. Trotz aller medialer Aufmerksamkeit macht das Geschäft mit eBooks immer noch weniger als 1% der Umsätze im Buchgeschäft aus. Faktoren, die in den USA die Entwicklung des eBook-Marktes pushen, wie die großen Distanzen und die geringere Dichte im stationären Buchhandel oder die aufgrund fehlender Preisbindung niedrigeren Preise fehlen dem deutschen Markt.
Peter Kraus vom Cleff sträubt sich nicht gegen die Rowohlt von der Moderatorin zugeschriebene Rolle als „eBook-Vorreiter“. Den Kraftakt des digitalen „Transformationsprozesses“ zu schultern sieht er als Verpflichtung nicht in erster Linie den Lesern sonder vor allem den Autoren gegenüber.
Armin Gmeiner umreißt die Herausforderungen denen sich der Gmeiner Verlag stellen musste, seit er 2006 ins eBook-Geschäft eingetreten ist: Rechte, Autorenhonorare, Kopierschutz, Aufbau des Knowhows im eigenen Haus, Formatfrage, Pricing, Vertriebskanäle und ISBNs.
Die Antwort von Gmeiner lautet mit Wasserzeichen geschützte, 20-30% unter dem Printpreis veranschlagte eBooks, zeitlich parallel zum Printbuch in ePub und mobipocket produziert, vertrieben über ein gutes Dutzend Plattformen (libri, KNV, divibi, libreka, iBook-Store…) Ein Kannibalisierung des Printgeschäfts sieht er noch nicht, dafür aber den Zugang zu neuen Gruppen von Lesern.
Zahlen, Daten und Fakten
Die Stimmung zum Thema Digitalisierung ist laut Hans Huck, Sprecher des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren (AKEP) und dem Branchenindex EPIX, der seit 2008 Fakten zum Themenbereich eBook in der Branche abbildet „sehr gut“: 3.5% Zuwachs im zweiten Quartal 2010.
Der Anteil der eBooks an den Neuerscheinung beträgt immerhin 1/3, erwirtschaftet jedoch bisher nur 1.8% des Umsatzes. Der Anteil der eBooks am Gesamtumsatz der digitalen Verlagsprodukte ist jedoch auf 28% gestiegen. Unter diesen eBook werden immerhin 1/3 im eher im Publikumsbereich verwandten ePub-Format hergestellte, 2/3 im, im Fachbereich favorisierten PDF. Die hohe Verbreitung von PDFs erklärt auch die vergleichsweise geringen Erstellungskosten. Über 50% der eBooks kosten weniger als 100 EUR, bei den 20% über 200 EUR sind sicherlich die kostenintensiven enriched (bzw. enhanced) eBooks zu verorten, aber auch epubs. Hier besteht auf Verlagsseite vor allem im Bereich Datenstrukturierung und XML-Workflow noch Optimierungspotential.
Die Einführung des iPad, die von vielen Verlegern mit Freude erwartet wurde hat bisher nur bei 1/3 der Verlage maßgebliche Auswirkungen auf die Verkaufszahlen gezeigt, 40% vermelden keine Auswirkungen. Welche Absatzkanäle von den Verlagen für relevant erachtet werden können 2/3 bereits mit Sicherheit sagen, 1/3 der befragten Verlage befinden sich noch in der Entscheidungsphase. Apple’s iBookstore findet sich hier an erster Stelle vor ciando und libri. Amazon hat nur für einige wenige Verlage Relevanz. Über die genauen Parameter des eBook-Geschäfts bzgl. einzelner Zielgruppen macht der EPIX bisher leider noch keine Aussage.
Alles in allem entwickeln sich Umsatz, Gewinn und Mitarbeiterstärke im Bereich eBook positiv, nur bei den Sachinvestitionen halten sich die Verlage nach einem investitionsintensiven Jahr 2010 zurück.
Börsenverein vs. Rapidshare
Im weiteren Gespräch bezeichnet Skipis die sich entwickelnde Piraterie im Buchgeschäft als „großes Problem“. Neben den massiven Umsatzverlusten entstehe hier zusätzlich ein Imageschaden für die Verlage durch die erschreckend schlechte Qualität illegal digitalisierter und vertriebener Bücher. Der Börsenverein sieht zur Eindämmung eine zweigeteilte Vorgehensweise als besonders erfolgversprechend:
* Hartes juristisches Vorgehen gegen die entsprechenden Plattformen (s. Börsenblatt) und gegen Wiederholungstäter
* Engagierte Aufklärung der Nutzer über die Folgen von Piraterie
Mit einer ähnlichen Strategie habe die Musikindustrie bereits eine Halbierung der Umsatzverluste durch Piraterie erreicht. Für die Buchbranche sieht Skipis 70-80% erreichbar. Auf die Frage, wie sich ein mittelgroßer Publikumsverlag, wie der Rowohlt Verlag mit dem Thema Piraterie auseinandersetze, äußerte Peter Kraus vom Cleff, dass im Hause Rowohlt eine Justitiarin in Zusammenarbeit mit einer Anwaltskanzlei aktiv an der Verfolgung von Piraterieverdachtsfällen arbeite. Als Verleger sieht er diese Arbeit als eine Kernverpflichtung seinen Autoren gegenüber.
Was kostet die Welt?
Beim Thema ebook-Pricing sieht Alexander Skipis die Politik in der Verantwortung für das Kulturgut elektronisches Buch mit einer ermäßigten Mehrwertsteuer von 7% statt 19% schaffen.
Dies würde den Verlagen auch die Möglichkeit geben die Ersparnisse in der Produktion, ,die er mit 10-20% beziffert, an die Kunden weiterzugeben.
Als Herausforderung bei der Preisgestaltung sieht Kraus vom Cleff unter anderem den Zusatzaufwand, der erforderlich ist um für ältere Titel digitale Verwertungsrechte einzukaufen. Vor allem Literaturagenten aus den USA hätten beim Verkauf von Rechten den schnell wachsenden US-ebook-Markt im Kopf (8% Umsatz in elektronischer Form) und richteten ihre Forderung danach aus.Weitere Knackpunkte sind: hohe Konvertierungskosten, die Umstellung auf medienneutrale Datenhaltung mittels eines Media Asset Systems, die digital Auslieferung, Schulungskosten zur Weiterqualifizierung aller Mitarbeiter und die Erforderlichkeit neuer, größerer Datenleitungen im Verlag.
Zum Thema Kopierschutz äußert Skipis, das die digitalen Auslieferungskosten in den Verlagen
und der Kosten für das Adobe DRM in etwa den Auslieferungskosten für das Printbuch entsprechen. Auch wenn die Kunden das Adobe DRM verhältnismäßig gut annehmen und es in Verlagen relativ wenig negatives Feedback gebe, verursachen jedoch closed-Shop-Modelle wie sie z.B Apple oder Amazon verfolgen keine zusätzlichen Kosten für Kopierschutz.
Quo vadis?
Als entscheidende Frage für das Jahr 2010 bezeichnet der Geschäftsführer des Börsenvereins die, auf wie vielen und welchen Geräten in Zukunft Bücher gelesen werden, da nach dem großen Schwung bei den Tablets 2011 die Etablierung farbiger eInk-Displays ins Haus steht.
Nicolai Eckerlein