Die Programmleiterin Knaur TB Belletristik Christine Steffen-Reimann über den Markt für historische Romane und die Schwierigkeit, sich immer wieder neue Titel auszudenken.
Jedes Jahr erscheinen Dutzende historische Romane. Gibt es erstens überhaupt noch Stoffe und zweitens einen Markt für diese ganzen Romane?
Stoffe gibt es, wie man sieht, jede Menge. Auf meinem Schreibtisch landet jede Woche ein Haufen Manuskripte. Und bezüglich des Bedarfs: Da muss es schon etwas ganz besonderes sein. Entweder die Hauptfigur muss ganz besonders sein, die Geschichte oder auch die Gegend.
Gibt es Moden oder Wellen? War mal diese Zeitspanne aktuell, ein halbes Jahr später dann jene? Oder ist es immer das Mittelalter?
Das Mittelalter ist es schon seit vielen Jahren. Ich weiß auch nicht, woher diese Faszination kommt.
Welche Strategie würden Sie einem Autor oder einer Autorin empfehlen, der/die sagt: Ich möchte in diesen Markt, zu einem Verlag wie zum Beispiel Droemer-Knaur?
Ich würde sagen: Als erstes braucht er oder sie eine sehr starke Figur, möglichst eine Frauenfigur (lacht) und ich würde sagen, der Roman sollte, so wie der Markt im Moment aussieht, in Deutschland spielen und starke regionale Bezüge haben, weil man auf diese Weise sehr gut mit einem Autor arbeiten kann. Man kann Lesungen anbieten und die regionale Presse anheizen. Wir haben schon sehr oft die Erfahrung gemacht, dass von einer Gegend oder einer Stadt der Roman auf den Rest Deutschlands ausstrahlt.
Warum sind es immer diese starken Frauen in historischen Romanen, die so gut gehen?
Der Großteil der Leser historischer Romane sind Frauen. Das gilt für den gesamten Buchmarkt, aber in diesem Genre noch stärker. Es geht um die Suche nach der starken Identifikationsfigur.
Es gibt den Spruch: Wenn das Buch gut ist, war es der Autor, wenn es schlecht ist, war es der Lektor. Was ist Ihr Selbstverständnis als Lektorin? Wie stark greifen Sie in Manuskripte ein?
Ich bin eher für die lange Leine. Allerdings habe ich natürlich das Interesse, dass sich das Buch gut verkauft, und das Interesse muss der Autor auch haben. Deshalb mache ich Vorgaben, was die Positionierung von Figuren angeht, oder im Hinblick auf Spannungsabläufe. Mir geht es um die große Struktur. Die reine Textarbeit gebe ich meistens an Außenredakteure. Aber letztlich ist es der Autor, dessen Name auf dem Buch steht.
Historische Romane haben ja eine relativ einheitliche Ästhetik, meistens ein rotes Cover, eine Frau aus einem historischen Gemälde vorne drauf, ein bisschen Blau. Auch die Titel sind relativ einheitlich, fangen mit „Die“ an …
… und hören mit „…in“ auf (lacht).
Gibt es für einen Verlag wie Knaur, der Marktführer im Bereich des historischen Romans ist, eine Möglichkeit, aus diesem engen Raster auszubrechen? Wird darüber nachgedacht?
Ja, wir denken permanent darüber nach, denn irgendwann wird sich diese Ästhetik totlaufen, auch, weil einem die Titel ausgehen bzw. sie lächerlich werden. Solange man noch welche findet, okay, aber gerade wenn man neue Autoren positionieren will, müssen wir unseren Grafikern immer wieder die Vorgabe geben: Sucht eine neue Bildsprache, die die Zielgruppe zwar wiedererkennt, die aber trotzdem neu ist. Für Iny Lorentz haben wir den berühmten Faltenwurf „erfunden“, der permanent nachgemacht wird, eigentlich das größte Kompliment, das einem gemacht werden kann. Aber wir müssen uns immer wieder neu erfinden, gerade bei Autoren, an die man sehr glaubt, denen man eine große Zukunft, ein großes Potenzial zutraut.
Interview: André Hille
Christine Steffen-Reimann arbeitet seit vielen Jahren als Programmleiterin Taschenbuch Belletristik beim Droemer-Knaur-Verlag und betreut unter anderem Iny Lorentz und Sabine Ebert. Steffen-Reimann wird im November 2009 in der Textmanufaktur, einer neuen Autorenschule in Leipzig (www.text-manufaktur.de), ein Seminar zum Thema „Historischer Roman – Markt, Chancen, Textarbeit“ leiten.