Man kann sicher viele Kategorien finden, um sich die Literaten des diesjährigen Bachmannpreises zu erschließen: Auffällig viele Autoren arbeiten auch als Übersetzer, viele von ihnen haben eine zweite Staatsbürgerschaft oder leben im Ausland, ja – viele von ihnen sind noch relativ jung, und: einige sind eng mit dem Theater verbunden.
Stefan Moster übersetzt neben Prosa auch Dramen, Hugo Ramnek besuchte eine Schauspielschule in Zürich und war an der Universität Modena Dozent für Theaterpädagogik, Simon Froehling schreibt Theaterstücke und nahm an der Autorenwerkstatt des Burgtheaters Wien sowie an den Autorentheatertagen des Thalia-Theaters in Hamburg teil und last but auf keinen Fall least Isabella Feimer, die als freie Regisseurin auch Theatertexte schreibt und inszeniert.
In Gesprächen mit Simon Froehling und Isabella Feimer habe ich den Versuch unternommen, herauszufinden, was eigentlich das dramatische vom epischen Schreiben unterscheidet. Mit den beiden sehr sympathischen Autoren ließ sich munter drauf-los-philosophieren und im Folgenden sollen erste Überlegungen zu diesem komplexen Thema festgehalten werden:
Als größten Unterschied zwischen dem epischen und dem dramatischen Schreiben betrachtet Froehling die Art der Entäußerungsmöglichkeiten: Während man in der Prosa vielfältige Möglichkeiten zur Darstellung von Situationen, einer Gefühls-und Gedankenwelt hat, konzentriert sich im Theater alles auf die Figuren. Im Dialogaufbau geht er deshalb immer zunächst von den Figuren an sich aus. Nicht zuletzt ist man als Dramatiker natürlich mehr von den örtlichen und räumlichen Gegebenheiten eines etwaigen Theaters abhängig sowie von einer eventuell zustandekommenden Zusammenarbeit mit Regisseuren oder Dramaturgen. Somit hat man als Autor beim epischen Schreiben stärker die Kontrolle über das Endprodukt, während in Deutschland mit dem Regietheater (im Unterschied zum angelsächsischen Autorentheater) eine weitere Instanz Einfluss auf das Bühnenprodukt und damit auch möglicherweise den Text nimmt.
Auch Isabella Feimer kennt dieses Verhältnis aus ihrer Theaterpraxis: Die Prosa sei quasi eine Inszenierung, bei der einem als Autor unmittelbar die Rolle des Regisseurs zukomme. Wenn sie als Regisseurin dann Theaterstücke praktisch umsetzt, den Worten Körper hinzufügt und im Austausch mit Schauspielern steht, wird eine neue Ebene betreten. Es kommen neue Aspekte und Deutungsmöglichkeiten hinzu, auch durch die Art der Umsetzung, die den Schauspielern eigen ist, und so entsteht dann wieder etwas ganz Neues. Verschiedene Bilder und das, was an Geschehen verhandelt wird, ergibt sich eher im Dialog als zentralem Mittel der Darstellung von Figuren. Figurenarbeit ist für Isabella Feimer insofern immer auch Dialogarbeit.
Und was sehen die beiden Autoren, wenn sie schreiben? Unterscheiden sich die imaginierten Welten vor dem inneren Auge der Autoren je nach Genre? Simon Froehling denkt beim Schreiben weniger an die Bühnenhandlung, als vielmehr an die Figurenhandlung und die eigene Realität der dramatischen Welt, die er sich aufbaut. Auch ist er beim Schreiben ganz bei sich und hat, zumindest keinen konkret greifbaren oder identifizierbaren, Adressaten. Ein imaginärer Bühnenraum, in dem sich die Handlung abspielt, ist für Isabella Feimer hingegen beim Schreiben durchaus vorhanden. Vielleicht liegt das auch daran, dass sie Regisseurin ist und so eine konkrete praktische Umsetzung auf den Brettern, die die Welt bedeuten, schon exemplarisch mitdenkt. Außerdem kann sie für sich eine Art imaginäres Publikum ausmachen, auch wenn sie sich natürlich zunächst, im allerersten Produktionsschritt, selbst das Publikum ist.
Bezüglich der Kategorien Zeit und Raum macht Simon Froehling dann noch auf den Vertrag aufmerksam, den man mit dem Publikum eingeht: Auf einer Bühne wird in einem Zeitraum von, in etwa 90 Minuten, ein Geschehen gezeigt. Die Frage, ob dieser Rahmen nicht bestimmte Themen ausschließe, die in ihrer Komplexität den Rahmen von 90 Minuten sprengen könnten, verneint er schließlich.
Es gäbe noch so vieles zu fragen zum Unterschied dieser zwei Gattungen, zu den unterschiedlichen Vorgehensweisen der Produktion. Doch wie beide Autoren auch klar gemacht haben, ergibt sich vieles auch aus dem spontanen Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren – geschieht vieles beim Schreiben auch ganz intuitiv.
Kerstin Mertenskötter