Sarah SchönfelderDie Gründerin von BeLLe, einem Workshopveranstalter für angehende Lektoren, über Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit, Kreativität und Existenzängste – und die Freude, ein fertiges Buch in den Händen zu halten.

Viele junge talentierte Leute strömen in die Verlagsbranche. Doch oft treffen sie auf verschlossene Türen. Freie Stellen sind rar und die Anforderungen an die Uni-Absolventen sehr hoch. Du hast den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Wie kam es dazu?
Bereits während meines Studiums stand für mich fest, später als freie Lektorin zu arbeiten – allerdings nicht bereits im Alter von 23 Jahren. Die Selbstständigkeit hat sich bei mir mehr oder weniger ergeben: Nach meinem 6-monatigen Volontariat bei der Münchener Sachbuchagentur Ariadne-Buch wurde leider keine Planstelle frei. Als Übergangslösung arbeitete ich daher als Halbtagskraft in einer Online-Redaktion, um mein Profil auf diesem Gebiet zu stärken. Nebenbei nahm ich freie Lektorats- und Redaktionstätigkeiten an – u. a. für Rowohlt, Ariadne-Buch und für das Magazin BÜCHER. Die Projektlage wurde mit den Monaten immer besser, sodass ich schließlich beschloss, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Spätestens als die Gründung von BeLLe hinzukam, war für eine Festanstellung ohnehin keine Zeit mehr.

Was genau macht BeLLe?
BeLLe richtet sich hauptsächlich an Studenten geisteswissenschaftlicher Fächer, die sich für das Berufsbild Lektor interessieren, allerdings nur vage Vorstellungen hinsichtlich Arbeitsalltag und Berufseinstieg haben. Vor diesem Hintergrund zeigen meine BeLLe-Partnerin, Christiane Fritsche, und ich in unseren „Workshops für die Lektoren von morgen“ Wege und Möglichkeiten auf, wie Studenten ihren Traum von der Arbeit als Lektor realisieren können, gehen u. a. auf grundsätzliche Abläufe im Verlag ein und bringen den Teilnehmern das Aufgabenfeld eines Lektors durch vertiefende Übungsaufgaben näher. In jedem Workshop plaudert außerdem ein Gastreferent – ein Verlags- oder Agenturlektor – aus dem Nähkästchen. Zusätzlich zu den eintägigen Workshops bieten wir branchenspezifische Einzelcoachings an, in denen wir Bewerbungsunterlagen optimieren und die Teilnehmer auf Bewerbungsgespräche vorbereiten.

Du bist freie Lektorin und Geschäftsführerin von BeLLe. Wie kriegst du beides unter einen Hut?
Mitunter ist es schon sehr stressig und ohne ein gutes Zeitmanagement wäre beides wahrscheinlich schwer zu bewältigen. Aber auch wenn es abends und am Wochenende mal wieder länger dauert: Die Arbeit macht mir viel Spaß und füllt mich aus – in jeder Hinsicht. Gerade der Aufbau von BeLLe ist wirklich sehr spannend. Außerdem bin ich ja nicht allein, sondern habe Christiane an meiner Seite, ohne die ich BeLLe sicherlich nicht in der Form hätte realisieren können.

Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus? Was gehört zu deinen Aufgaben?
Ich versuche immer, mir für jede Woche einen Arbeitsplan aufzustellen und dabei jeden Tag so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Dies ist schon allein dadurch gegeben, dass ich aktuell drei Arbeitsschwerpunkte habe: BeLLe, die journalistische Tätigkeit im Print- und Online-Bereich sowie die Arbeit als Lektorin für Rowohlt, Ariadne-Buch und kleinere Auftraggeber. Mir ist es zudem sehr wichtig, Außentermine möglichst über die Woche zu verteilen, um nicht alle Tage ausschließlich im heimischen Büro zu verbringen.

Was sind die Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit?
Mir gibt die Selbstständigkeit ein Gefühl von Freiheit, das für mich äußerst wichtig und unbezahlbar ist. Ich bin in keine Hierarchien eingezwängt, arbeite ausschließlich für mich und das bei vollkommen freier Zeiteinteilung: Ich bin z. B. überhaupt kein Morgenmensch – in einem Beruf, bei dem es auf Kreativität und Konzentration ankommt, finde ich es wichtig, dass ich dann arbeiten kann, wenn ich auch wirklich aufnahmefähig bin. Vormittags erledige ich daher immer organisatorische Aufgaben, telefoniere und schreibe E-Mails, während ich nachmittags und abends meist redigiere oder Artikel verfasse. Der wohl größte Nachteil der Selbstständigkeit ist sicherlich die Existenzangst: Bleibt die Auftragslage gut? Wie gewinne ich neue Auftraggeber? Etcetera. Wobei ich diese Angst zunehmend auch bei „Jungen Verlagsmenschen“, also vor allem bei Volontären, beobachte, für die die Zeit nach dem Volontariat auch immer unsicherer wird.

Was ist das Besondere an der Arbeit in der Verlagsbranche?
Ich finde die Arbeit unglaublich abwechslungsreich und herausfordernd, das verdeutlicht besonders meine Tätigkeit für Ariadne-Buch: Von der Ideen-Konzeption für ein neues Sachbuch über die Autorenakquise und -betreuung und der konkreten Arbeit am Text bis hin zum gesamten Projektmanagement bin ich hier – je nach Auftrag – für die unterschiedlichsten Bereiche zuständig. Es ist einfach spannend, einen kreativen Prozess anzustoßen, zu begleiten und schließlich das fertige Buch in den Händen zu halten.

Was würdest du Leuten raten, die einen Job in einem Verlag anstreben?
Auf jeden Fall möglichst früh Praxiserfahrungen sammeln und das nicht nur, um Branchenkontakte zu knüpfen, sondern vor allem auch, um für sich selbst festzustellen, ob eine Anstellung als Lektor wirklich der Traumjob ist. Mein Praktikum bei Rowohlt hat mir zum Beispiel gezeigt, dass mir die Arbeit im Verlag weniger zusagt, da ich die Strukturen als zu eng empfinde. So bin ich schließlich über ein Agenturpraktikum im Ausland bei Ariadne-Buch gelandet. Auch ganz wichtig auf dem Weg ins Verlagswesen: Durchhaltevermögen und Flexibilität!

Welche Rolle spielen deiner Meinung nach persönliche Kontakte in der Branche?
Kontakte spielen auf jeden Fall eine sehr wichtige Rolle –Vitamin B schadet bekanntlich nie, in keiner Branche. Meiner Ansicht nach sollte Networking aber auch nicht überbewertet werden. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass man immer häufiger von seinem Gegenüber lediglich auf seinen Stellen- und Nutzwert als Kontakt hin geprüft wird. Mir als Selbstständige sind vor allem Kontakte zu Kollegen sehr wichtig, mit denen ich mich austauschen kann – auch über Höhen und Tiefen.

Meinst du, es ist wichtig, eine klare Vorstellung davon zu haben, was man erreichen will in seiner beruflichen Laufbahn? Oder ist es besser sich treiben zu lassen?
Ich glaube nicht, dass sich das pauschalisieren lässt. Vielmehr ist meiner Meinung nach auch hier, wie so oft, die richtige Mischung entscheidend: Klare Vorstellungen und konkrete Pläne sind sicher hilfreich, können mitunter aber Tunnelblick verursachen – man hat zwar ein klares Ziel vor Augen, sieht aber weder nach rechts noch links und lässt sich dadurch womöglich interessante Abzweigungen, sprich Chancen, entgehen. Ich habe schon einen Plan A und auch einen Notfallplan B, allerdings bin ich auch offen für neue Wege, die sich plötzlich ergeben, auch wenn sie außerhalb der „Ideallinie“ liegen.

Was würdest du an der Verlagsbranche ändern, wenn du könntest?
Den Umgang mit dem Lektorennachwuchs …

Interview: Gesa Jung


Sarah Schönfelder hat an der Ruhr-Universität Bochum Germanistik und Komparatistik studiert und im April 2007 ihren Bachelor of Arts gemacht. Erste Erfahrungen im Verlagswesen sammelte sie über ihre Tätigkeit für den Zolhaus Verlag (Antiquariat und Verlag). Bereits während ihres Studiums arbeitete sie als freie Lektorin für Rowohlt. Nach ihrem Studium war sie drei Monate für die New Yorker Literaturagentur Sanford J. Greenburger Ass. als Praktikantin tätig und absolvierte anschließend ein Volontariat bei der Sachbuchagentur Ariadne-Buch. Im September 2008 gründete sie BeLLe (https://www.belle-workshops.de/). Schönfelder lebt und arbeitet als freie Lektorin und Redakteurin in München.