Julia Köhn vom Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes lud am Messedonnerstag Interessierte dazu ein, die Podiumsdiskussion zwischen Georg Dahm von Fail Better Media GmbH, Christian Böllert von detektor.fm und Torsten Schreiber von der Zeilenwert GmbH mit zu verfolgen. Dabei ging es um das Thema „Digitalisierung aus einem kreativwirtschaftlichen Blickwinkel“. Das Problem dabei sei, dass Kreative die Digitalisierung oft als Bedrohung ansähen und klassische Printredaktionen aufgrund der Digitalisierung eingestampft worden wären. Sei es dabei nicht vielmehr so, dass viel Neues entstehe und einfach das Alte ablöse, genauso wie einst es auch bei den analogen Vorfahren gewesen sei? Mit dieser Fragestellung wandte sich Köhn an ihre drei Gäste aus unterschiedlichsten Bereichen wie Radio, Verlag und Wissenschaft. 

Georg Dahm, ehemals Journalist bei der „Financial Times Deutschland“ und „The Scientist“, hatte 2013 das digitale Wissenschaftsmagazin „Substanz“ gegründet und war damit als Kreativpilot ausgezeichnet worden. „Wir wollten einfach zeigen, dass so ein Format auch funktioniert.“ Daher stecken sie viel Geld in die Entwicklung, schließlich war dann kein Budget mehr für das Marketing übrig. Ein Problem in dieser Zeit war sicherlich auch, dass dedizierte Apps und Tablets sich nicht als der Rettungsanker erwiesen wie erwartet. Generell staune er auch, wie wenig die großen Verlage investieren würden und Innovationen doch mehr aus dem Bereich der Startups kämen. Generell erlebe er da, dass einfach viele Trends aus den USA übernommen werden und diese sich auch abwechseln würden: Einmal seien Premium-Newsletter en vogue, dann Podcasts und so fort. Im Grunde genommen seien seit drei Jahren die gleichen Fragen immer noch unbeantwortet – nämlich, wie man angesichts der Zersplitterung der Medien als Marke erkennbar bleiben könne und wie man diese vertrauenswürdig halte. Bisher sei es immer so, dass Inhalte der Technologie folgen würde, was zum Teil verheerende Auswirkungen auf die Medien habe, etwa, wenn es um interessengeleitete Publikationen gehe. Besser sei, wenn Technologie dem Inhalt und einer Haltung folge. Hier sollten Verlage eine ordnende Stimme und keine übertönende sein.

Torsten Schreiber von Zeilenwert (als historisch gewachsenes Angebot für kleine mittelständische Verlage, die für diese Printvorlagen in ein E-Books kostenfrei konvertieren und in alle Vertriebskanäle streuen) bzw. Libreka (heute eine Tochter von Zeilenwert, ein digitales Barsortiment mit 2,3 Millionen Titeln für Verkauf, Verleih und Flatratemodelle), erwiderte, dass seiner Ansicht nach Printbuchverlage schon in der digitalen Welt angekommen seien. Mittlerweile gebe es ja für jede Dienstleistung einen Anbieter. Der ‚worst case‘ für ihn mit dem Blick der Buchverlage bzw. der Literatur sei da eher, dass man trotz aller Innovationen den Konsumenten nicht schnell genug bedienen könne. Aber es gelte, die Leser „weiterhin mit den Plattformen zu begeistern, die wir haben“.

Christian Bollert kommt vom Internetradiosender Detektor.fm, welcher ein qualitativ hochwertiges Programm sendet und 2012 mit dem deutschen Radiopreis ausgezeichnet wurde. Während Radio allgemein die Digitalisierung ein bisschen verschlafen habe, auch bei Privatradiosendern, habe man selbst konsequent auf das Internet gesetzt: „Eine deutschlandweite Frequenz wollten und konnten wir uns gar nicht leisten.“ Während viele  Radiosender eine Mischung aus Musik, Moderation und Werbung bieten würden, aber relativ ununterscheidbar seien, habe man selbst einiges anders gemacht. „Wir wollten nicht der Radiosender sein, der am wenigsten nervt.“ Auch sei es nicht das Ziel gewesen, die größtmögliche Masse zu erreichen. Detektor.fm wollte musikalisch und musikjournalistisch etwas Neues bieten, journalistisch Hintergründe beleuchten und dem Zuhörer Analysen präsentieren. Bollert gab zu, dass man damit nicht der weichgespülte Radiosender zum Hören nebenbei sei, sondern Aufmerksamkeit erfordere, was mitunter auch anstrengend für den Hörer sei. Aber nur so könne man neue Impulse setzen und ein besseres Radio bieten. Damit einher gehe auch, dass man gewisse Themen wie Wetter, Verkehr und Nachrichten nicht bediene, weil diese bei anderen Medien einfach besser aufgehoben seien. Aber so schaffe man am Ende ein Geschäftsmodell, indem sie Leute ansprächen, die sich auch wirklich für Themen interessieren. So würden sie etwa beim Thema „Fahrrad“ nicht nur zielgruppengenau die Hörer erreichen, sondern auch für Werbeträger attraktiv sein. Hinzu komme außerdem die Kooperation mit anderen Medien. Ein Trend hin zu Audio ermögliche ihnen Aufträge wie die Podcasts für die ‚brand eins‘, immerhin auf dem ersten Platz der iTunes-Podcasts-Charts, oder die Vertonung des Streiflichts für die Süddeutsche Zeitung. So könne man als Hörer irgendwann zu seinem digitalen Assistenten sagen: „Siri, spiel mir das aktuelle Streiflicht vor.“ Wenn irgendwann Internet in jedem Auto verfügbar sei, könne man dann das Radio hören, das man wirklich will. So sei Internet wieder das Demokratisierungstool, welches es sein könne. Seine Negativthese für die Zukunft ist, dass es wichtig sei, sich nicht von Marken wie Redbull, adidas oder mini überholen zu lassen. Seine Positivthese ist, dass es weiterhin Journalisten gibt, die nicht gekauft seien und aufdecken, wenn etwas gekauft ist – schließlich könne man nicht alles an Maschinen auslagern.

Daraufhin fragte Köhn die Teilnehmer, wie man im Bereich „Nische“ als Unternehmer gut zurechtkomme. Georg Dahm war der Meinung, dass Liebhabertitel wichtig seien und sich Qualität für große wie kleine Marken lohne. Christian Bollert fand, dass Nische ja auch irgendwie Definitionssache sei. Es würde sich auf jeden Fall lohnen, sich auf Dinge zu stürzen, die nicht alle machen würden: „Wenn alle das Gleiche machen, wird man ununterscheidbar.“ Laut Torsten Schreiber lege man bei Zeilenwert und Libreka extremen Wert auf Qualität – E-Books müssten gescheit dargestellt werden, egal auf welchem Gerät, sonst verlöre man den Autor, und der Verlag den Leser. Das gelte für hochkarätige Titel wie auch Nischentitel, schließlich würden sie alle Kanäle bedienen.

Wie gehe man mit der Erwartung des Kunden um, dass das Internet ein Umsonstmedium sei? Wie bekomme man Menschen dazu, für Qualität Geld auszugeben?

Dass Georg Dahm mit „Substanz“ gescheiterte, lag wohl auch an der dünnen und billigen Anmutung des Magazins, obwohl es inhaltlich ein tolles Magazin gewesen sei. Insgesamt könne ein gestaffeltes Preismodell funktionieren, sei doch das Empfinden bezüglich eines ‚richtigen Preises‘ eine sehr individuelle Sache, wie sie anhand von Umfragen herausgefunden hätten.

Weil es in Deutschland kein Bezahlradio gibt, hat Christian Bollert mit Detektor.fm dieses Problem eigentlich nicht. Dennoch gelte: „Wer uns gut findet, kann uns freiwillig Geld geben.“ So gebe es jemanden, der dem Internetradiosender per Dauerauftrag eine „Alternative Rundfunkgebühr“ von 11,11 Euro überweise. Sowas sei natürlich auch eine tolle Kundenbindung. Und irgendjemand müsse die Mitarbeiter bezahlen, die den Content erstellen – ob das nun der Zuhörer oder der Werbeträger sei.

Auch für Torsten Schreiber zähle dieses Problem eher nicht, gelte die Buchpreisbindung ja auch für E-Books. Teilweise könne er aber Preise zwischen zwei und fünf Euro auch nicht nachvollziehen, während ein Dan Brown dann 15 Euro koste. Es gebe ja auch die Regel, dass E-Books im Preis 20 Prozent unter den Printtiteln liegen müssten, was der Verlag entscheiden müsse. Seiner Meinung nach sollte Inhalt in der Kalkulation anders bepreist werden. Teilweise könnten auch höhere Preise gerechtfertigt sein, wenn ein Astrophysiktitel nur Nischenpublikum anvisiere, käme schon mal ein Preis von 300 € zusammen. „Und die Möglichkeit, uns über Werbung zu finanzieren, haben wir natürlich nicht.“, fügt Schreiber hinzu.

Abschließend fragte Köhn, wie denn Digitalunternehmen mit der mittlerweile begrenzten Medienkonsumzeit umgehen würden, welche zunehmend von der Technik bestimmt werde?

Christian Bollert outete sich hier ganz als Kulturoptimist und meinte, dass die Digitalisierung doch so viele Möglichkeiten eröffne, so viel Neues und Kreatives entstände, dass ihm nicht bange sei. Die neue Vielfalt sehe er an der Menge der kreativen Podcasts, wo sich Menschen mit vielfältigsten Themen auseinander setzen würden. Für die großen Player von früher wie Springer oder Bertelsmann sehe er die Lage aber wirklich nicht ganz so optimistisch.

Georg Dahm schloss sich dem Kulturoptimismus an. Zu twittern oder zu bloggen gehöre einfach zum guten Ton heute, hier könne man digital vorleben, was man sowieso real mache. Allerdings sehe auch er mit Bedenken, dass soziale Medien eine gewisse Betroffenheitshysterie verstärken würden.

Torsten Schreiber gab zu, als Verlag zu langsam zu sein. Beispielsweise sei das Buch über die Piratenpartei bei Erscheinen schon wieder für die Kunden zu uninteressant gewesen. Generell sehe er es aber so, dass große Verlagshäuser innovativ und offen für neue Dinge seien.

 

Peter Frankemölle