von Stefan Katzenbach
In seinem neuen Roman „Kein Wunder“ beschreibt der Autor Frank Goosen die amourösen Verwicklungen eines jungen Mannes, der in Berlin wohnt, aber aus Bochum stammt, und Ende der 80er Jahre sowohl in West- als auch in Ostberlin eine Freundin hat. Dass die Mauer fällt, ist für ihn daher ein Ärgernis. Der Autor sieht in dem Buch eine Komödie, wie er auf einer Lesung der Leipziger Buchmesse klarstellt.
„Das Ruhrgebiet war kurz davor, cool zu werden, besonders wegen der Filme von Adolf Winckelmann“
Wer Goosen nach der Motivation für seinen neuen Roman fragt, bekommt eine schnelle Antwort: „Ich hatte große Lust, mich mit den Geschehnissen Ende der 80er Jahre in Berlin und dem Ruhrgebiet auseinanderzusetzen und diese Welten dann in Beziehung zu setzen“. Interessant für ihn waren neben der damaligen Veränderungen seiner Heimatstadt Bochum auch die der gesamten Region. Gerade die „rauhe Schönheit“ der Region sei so faszinierend, die Schilderung des Ruhrgebiets diene ihm auch dazu „die Leute auf ihre Vorurteile hin zu befragen“, deswegen werde in einem Dialog des Romans explizit thematisiert, dass Bochum gar nicht so grau sei, wie immer alle sagen. Berlin habe nur letztlich „die größere Strahlkraft“ entwickelt, und das sei für das Ruhrgebiet „nicht gut gewesen“.
Spaß an den eigenen Figuren
Ähnlich bunt wie die Schilderungen der Städte Bochum, West- und Ostberlin ist auch der Text selbst. Die ausführlichen Charakterisierungen der Protagonisten und ihrer Gedankenwelten sowie die genaue Thematisierung der kulturellen und politischen Situation geben dem Text viel Tiefe. „Ich habe Spaß an meinen Figuren, es sind die Kernfiguren aus meinem vorherigen Roman, ‘Förster, mein Förster’“. Im Text seien deswegen insgesamt „sehr viele Motive“ zusammengekommen, erklärt Goosen. Die Figur des Roland Förster sei dabei von besonderer Bedeutung. Er ist ein Freund des eigentlichen Protagonisten Frank Dahlbusch, genannt Fränge, der mit Rosa in Ostberlin und Marta in Westberlin, zwei Freundinnen in zwei Republiken hat. Förster sei „unvoreingenommener als seine zwei Kumpels“, Fränge und Brocki. „Für ihn steht nie etwas fest, er steht immer dazwischen und kommt mit so einem beobachtenden Blick da rein.“ Beobachten und Sammeln, das sei für Goosen auch das Prinzip seines Schreibens. Schließlich ermögliche das Schreiben „aus einem Wust von Informationen eine Struktur zu destillieren“.
Die Welt schreibend ordnen
Das Schreiben biete für Goosen die Möglichkeit, die Geschehnisse in der Welt zu ordnen. Dies sei gerade in einer Welt wie der heutigen nicht immer einfach: „In dem Maße, wie alles globaler geworden ist, braucht man Sicherheit im Kleinen.“ Dass diese Sicherheit mitunter politisch heikel sein kann, etwa durch einen Heimatbegriff, der aktuell auch negativ konnotiert sei, dessen ist sich Goosen bewusst. Allerdings könne Heimat auch anders gedacht werden: „Mein Heimatbegriff ist ein einschließender, kein ausschließender“, erklärte er.
„Vorurteile gibt es auch im Westen“
Die Frage, ob angesichts aktueller politischer Ereignisse ein neuer Keil in das Verhältnis von Ost und West getrieben werde, betrachte er aus verschiedenen Blickwinkeln: „Ein neuer Keil würde ja bedeuten, dass vorher keiner da war. Es wird immer so getan, als wäre da kein Unterschied gewesen“ zwischen Ost und West. Natürlich sei aber die Gesellschaft damals bereits in verschiedene Klassen unterteilt gewesen. Wer das Gegenteil behaupte, verkläre die Tatsachen. „Die klassenlose Gesellschaft gab es nur von oben“, so Goosen. Auch deswegen sei für ihn die Behauptung, die AFD habe im Osten mehr Zulauf als im Westen, kein Beleg für Vorurteile in Ostdeutschland. Parteien wie die AFD hätten es bloß verstanden, diese im negativen Sinne zu schüren. Wie man solchen Parteien Einhalt gebieten kann? „Es hilft, wenn sie zwei bis drei Prozent verlieren. Rechtspopulistische Parteien können immer dagegen sein. Wenn sie zwei bis drei Prozent verlieren, dann müssen sie mal handeln und liefern.“