Fünf Jahre liegen zwischen ihren einzelnen Publikationen. Fans ihrer Sprache und der dichten Atmosphäre, die sie damit schafft, lassen ihr diese Zeit gerne. Nach drei Erzählbänden legt Judith Hermann nun ihren ersten Roman vor. Eine Frage, die sicher auch einige Leser interessiert, stellt Moderator Marc Reichwein am Messestand der WELT: Wie verbringt die Autorin diese fünf Jahre? Im ersten Jahr, so Judith Hermann, gehe sie auf Lesereise für den aktuellen Titel; während der Reise könne sie nicht, wie andere Autoren vielleicht, in Hotels oder im Zug schon Neues schreiben. Darauf folgt ein Jahr des Nachdenkens, woran sie als nächstes arbeiten wolle. Schließlich die tatsächliche Schreibarbeit, die ihr schwer falle und die sie gerne hinter sich bringe.
Der Roman „Aller Liebe Anfang“ handelt von Stella, die mit Mann, Kind, Job und schönem Haus in der Vorstadt ein ruhiges, glückliches Leben führt, bis ein Nachbar anfängt, ihr nachzustellen und die Idylle gefährdet. Judith Hermann liest ein Kapitel, in dem Stella sich in einer Art innerem Monolog das Leben ihres Stalkers vorstellt. Vor allem geht es in dem Roman um die Frage, wie die Liebe anfängt, wie die kleinen Schritte von Interesse zu Verlieben zu Liebe und vielleicht weiter zur Obsession verlaufen. Diesen Stoff hatte sie in einer Erzählung unterbringen wollen, erzählt die Autorin, doch als dies immer wieder scheiterte, blieben nur zwei Optionen: ihn ganz fallen zu lassen oder sich an die lange Form zu wagen.
Diese wird tatsächlich auch seit Jahren von ihr „verlangt“, und Judith Hermann räumt ein, dass unterbewusst das ständige „Wann kommt denn der Roman?“ eine Rolle gespielt haben könnte – obgleich sie diese Frage auch sehr geärgert habe. Warum, fragt sie ganz berechtigt, wird der Spieß nicht mal umgedreht und ein Romancier gefragt, wann er denn endlich einen Erzählband schreibt?
Marcella Melien