Wer bei der Frankfurter Buchmesse – ob privat oder auch als Fachbesucher – auf eigene Faust durch die Hallen schlendert und das vielfältige Angebot der Aussteller bewundert, macht sich oft nicht bewusst, dass für einige der anwesenden Verlagsmitarbeiter die Buchmesse nur eines bedeutet: harte Arbeit. Und das nicht, weil sie den Stand betreuen und unermüdlich Auskunft auf Fragen geben, sondern weil sie von einem Termin zum nächsten hetzen.
Seit Juni dieses Jahres nehme ich am Patenschaftsprogramm im Rahmen der Buchtage Berlin teil. Ein Jahr lang werde ich von einer führenden Verlagskraft begleitet, kann Fragen zur Arbeit und ganz allgemein zur Buchbranche stellen, lasse mir Tipps für meine weitere berufliche Zukunft geben und darf immer wieder in Dinge hineinschnuppern, die mir bis jetzt noch unbekannt waren oder sind. Meine Patin, Frau Dr. Nadja Kneissler, Verlagsleiterin des Buchprogramms im Delius Klasing Verlag, lud mich bei einem Treffen vor der Buchmesse ein, sie zu einem Lizenzgespräch mit einem französischen Verlag zu begleiten, und da ich in dieses Gebiet der Verlagsarbeit bisher keinen Einblick erhalten hatte, sagte ich interessiert zu. Meine Vorstellung, wie dieses Gespräch verlaufen würde, reichte von zwanglosem Small Talk über allgemeine Themen bis hin zu knallharten Verhandlungen – ich ließ mich also überraschen, was mich bei der Unterhaltung erwartete.
Lockeres Gespräch statt harter Verhandlungen
Pünktlich um zehn Uhr morgens am Messedonnerstag kommen dann alle zusammen: zwei Mitarbeiter aus dem französischen Verlag und drei aus dem deutschen. Meine Befürchtung, das Gespräch würde auf Französisch geführt werden, bewahrheitet sich zum Glück nicht; alle sprechen ein sehr gut zu verstehendes Englisch. Die Unterhaltung gestaltet sich als sehr angenehm, die Atmosphäre ist locker, zum Teil wird auf persönliche Dinge eingegangen, doch gerät der eigentliche Grund des Treffens nicht aus den Augen: das Präsentieren von französischen Buchtiteln, die für den deutschen Verlag in einer Übersetzung interessant sein könnten. Mich wundert es, dass man nicht gemeinsam bereits erschienene Bücher anschaut, sondern dass die französischen Kollegen bereits vorher ausgewählte Titel aus der Vorschau vorstellen. Es geht dabei sowohl um Bücher, die noch in diesem Jahr vor Weihnachten auf den französischen Buchmarkt kommen, als auch um Titel, deren Erscheinen erst für das Jahr 2017 geplant ist und für die noch nicht einmal Material vorliegt. Soweit möglich, notieren die deutschen Kollegen die genauen Angaben zum Umfang, Preis und Format, um bei späteren Diskussionen eine bessere Grundlage zu haben. Man tauscht sich über bestimmte Themenbereiche auf und gibt ehrlich darüber Auskunft, ob der Titel XY sich gut oder eher schlecht verkauft oder dass ein französisches Buch für eine Übersetzung in die deutsche Sprache nicht geeignet ist, weil er sich inhaltlich nur auf Frankreich bezieht. Zu keinem Zeitpunkt des Gesprächs habe ich den Eindruck, als ginge es nur um das reine Verkaufen.
Jede halbe Stunde ein Termin
Später erklärt Frau Kneissler mir, dass mit dem französischen Verlag bereits eine ungefähr 25-jährige Zusammenarbeit besteht, was die persönliche Atmosphäre des Treffens und die gute Vorbereitung erklärt, da man das jeweilige Programm des anderen Verlags gut kennt. Mittlerweile sei es üblich, erzählt sie mir außerdem, bei Lizenzgesprächen über zukünftige Titel zu sprechen. Gerade kleine Verlage müssen zum Teil genügend Lizenzen verkaufen, damit ein Titel überhaupt in die Produktion gehen kann. „Im Grunde verkauft man eine Idee“, fasst Frau Kneissler das Vorgehen vieler Verlage zusammen. Die Frankfurter Buchmesse sei weltweit die größte und wichtigste Messe für Rechte und Lizenzen, nicht nur für Ratgeber- und Sachbuchverlage. Da wundert es nicht, dass bei vielen Verlagsmitarbeitern die Messe-Fachbesuchertage von morgens bis abends mit meist halbstündigen Terminen vollgepackt sind; zwischendurch gibt es nur kurze Pausen, um schnell etwas zu essen oder einen Kaffee zu trinken.
Spontan ergibt sich für mich noch die Möglichkeit, bei einem zweiten Lizenzgespräch dabei zu sein, diesmal mit einem deutschen Hörbuchverlag. Es geht dabei weniger um konkrete Titel, sondern um eine mögliche Zusammenarbeit in der Zukunft. Dabei erfahre ich, dass die Verkäufe von Hörbüchern nur bei rund 10 Prozent von den Buchverkäufen liegen – damit sich die Produktion eines Hörbuchs lohnt, muss die Printversion also gewisse Absatzzahlen erreichen. Aus Marketingsicht ist ein gemeinsamer Erscheinungstermin von Buch und Hörbuch aber wünschenswert, sodass man letztendlich nur mit Schätzungen über die ungefähren Verkaufszahlen arbeiten kann, um zu entscheiden, ob sich die Produktion eines Hörbuchs lohnt oder eher nicht.
Lizenzgespräch ist erst der Anfang
Und wie geht es nach dem Lizenzgespräch mit dem französischen Verlag weiter? Zu einigen der vorgestellten Titeln haben sich die Kollegen aus Frankreich Notizen gemacht, Bücher, PDF-Dokumente oder sonstige Unterlagen zu schicken, und sobald diese dem deutschen Verlag vorliegen, werden sie von den Kollegen aus dem Lektorat vorbereitet, erklärt mir Frau Kneissler. Bei einer Programmkonferenz Ende Oktober werden dann die einzelnen Titel präsentiert, und erst wenn eine positive Entscheidung für eine Übersetzung gefällt worden ist, beginnen die eigentlichen Lizenzverhandlungen. Ungefähr vier Wochen dauert es, bis ein Angebot vorliegt und erst danach wird eine endgültige Entscheidung getroffen, ob der deutsche Verlag die Rechte für eine Übersetzung einkauft. Das Lizenzgespräch bei der Frankfurter Buchmesse ist also nur ein erster Schritt in einer langen Reihe von weiteren Diskussionen und Verhandlungen.
In Zukunft, das kann ich nach diesem sehr interessanten Messetag sagen, werde ich die vielen kleinen Gruppen, die auf der Frankfurter Buchmesse an Tischen zusammensitzen, mit anderen Augen betrachten. Hier wird nicht nur bloß geplaudert, sondern inhaltlich gearbeitet, und zwar in einem viel größeren Ausmaß, als mir vorher bewusst war. Das Treffen mit meiner Patin hat mir nicht nur diese Erkenntnis gebracht, sondern ich habe zudem einen Einblick in einen Verlagsbereich erhalten, mit dem ich bisher noch nicht in Berührung gekommen war. Auch wenn ich nur einen kleinen Ausschnitt mitbekommen habe, sind mir die einzelnen Arbeitsschritte, die auf dem Weg zu einer Übersetzung nötig sind, nun viel deutlicher geworden. Und wie bei so vielen Dingen stecken auch in einer Übersetzung mehr Arbeit und ein viel längerer Prozess dahinter, als dem allgemeinen Buchkäufer bewusst ist.
Katharina Storm