Das KATAPULT der Erkenntnis
1. Wissenschaft ist kompliziert, schwer verständlich und ihre Erkenntnisse sind nur für Eingeweihte interessant.
2. Soziologie ist eine besonders trockene Materie, die mit undurchschaubar vielen Zahlen und Statistiken operiert.
3. Der Printmarkt für wissenschaftliche Publikationen ist tot.
Das alles stimmt, stimmt aber auch wieder nicht. Es kommt nämlich nicht zuletzt auf die Art der Aufbereitung wissenschaftlicher Erkenntnisse an, die darüber entscheidet, ob und wie Forschungsergebnisse rezipiert werden und – idealerweise – sogar Wirkung entfalten.*
In diese Richtung geht die Redaktion des sozialwissenschaftlichen Magazins »Katapult«. Für das Problem, dass soziologische Daten und Zusammenhänge immer unter dem Manko der großen Zahl und der darin begründeten Unübersichtlichkeit leiden, haben die Gründer und Macher eine ebenso einfache wie einleuchtende Lösung gefunden: Sie bereiten Fragestellungen und Forschungsergebnisse mit Hilfe kartografischer Darstellungen so auf, dass Abhängigkeiten, Fakten und blinde Flecken der Wahrnehmung schnell sichtbar werden.
Wieviel Fläche des Planeten Erde bräuchte es, um alle derzeit lebenden 7,61 Milliarden Menschen nebeneinander Aufstellung nehmen zu lassen? Es wäre ein Quadrat von 62 km Kantenlänge bei einer Belegung mit zwei Menschen pro m² – komfortabler als der Normwert in Bussen und Bahnen –, das hervorragend
im dünnbesiedelten Norden Sachsen-Anhalts eingepasst werden könnte.
Mit welchem Witz die MacherInnen und AutorInnen an die Aufgabe der Verdeutlichung von soziologischen Fragestellungen anhand von Karten gehen, zeigen Darstellungen mit den »härtesten Namen deutscher Metalbands« und ihrer regionalen Verteilung – Rückschlüsse auf das politische Klima in einem Bundesland sind durchaus denkbar –, Darstellungen der
historischen Entwicklung von Siedlungsgebieten am Beispiel von Großstädten und Zusammenhänge zwischen klimatischen Fakten, Konsumgewohnheiten und soziodemografischen Befunden.
Und wer glaubt, dass in der heutigen Zeit gedruckte wissenschaftliche Publikationen grundsätzlich obsolet seien, irrt: »KATAPULT« ist als eine Gründung von Angehörigen der
Universität Greifswald entstanden. War es zunächst nur eine Webseite, gibt es seit März 2016 auch ein aufwendig ausgestattetes Print-Magazin, das vierteljährlich erscheint, im
gesamten deutschsprachigen Raum vertrieben wird und mittlerweile auf eine Auflage von 41.000 Exemplaren (Ausgabe 8 vom März 2018) kommt. Die Verteilung der Leserschaft ergibt eine ebenfalls interessante Karte der Verortung des Intellekts von Luxemburg bis Österreich: Großstädte und Unistandorte dominieren klar. Ein nennenswerter Teil der Leserschaft besteht übrigens aus LehrerInnen, die die Karten als Anregungen und Hilfsmittel für den eigenen Unterricht in Geographie, PW und Geschichte nutzen. Der Ansatz der MacherInnen von »KATAPULT« ist es, ihre Informationen im Netz frei zur
Verfügung zu stellen und den Aufwand der Sammlung der Daten und Erarbeitung der Karten über den Verkauf des gedruckten Magazins zu finanzieren. Dazu ist der Verlag als gemeinnützige GmbH mit Sitz in Greifswald organisiert, eine Berliner Druckerei produziert die Hefte.
*Der unlängst verstorbene Stephen Hawking hat dies früh begriffen und deshalb seine Erkenntnisse im Bereich der theoretischen Physik so aufbereitet, dass er im Laufe seiner wissenschaftlichen Karriere zum weltweit bekannten Bestsellerautor und Popstar wurde, freilich ohne seine Reputation in Fachkreisen zu gefährden. Es ist also möglich.)
<© 2018 mg, Berlin>