von Susanne Döllner
Wenn wir im Studium vom „Buchmarkt“ sprechen, denken wir an verschiedene Dinge: natürlich an das Produkt (das Buch), aber auch an dessen Produzenten (den Autor) und im beinah gleichen Atemzug an den kunstvollen Vermittler zwischen den beiden (den Verlag). Ein zentraler Teil fehlt in dieser Aufzählung allerdings regelmäßig: der stationäre Buchhandel. Zwar findet er in Seminaren und Diskussionen immer mal wieder Erwähnung, fristet zumeist jedoch ein eher stiefmütterliches Dasein, verbannt in die betriebswirtschaftliche Ecke.
Was dabei gern vergessen wird: Auch und gerade in Zeiten von amazon und Co. sind es Menschen, die andere Menschen zu Lesern machen, sie für Geschichten begeistern und ihnen helfen, sich im immer unübersichtlicher werdenden Dschungel der Neuerscheinungen zurechtzufinden.
Zwei dieser Menschen fanden sich am Messemittwoch auf der Bühne des Forums des Börsenvereins ein, um zusammen mit Bertram Pfister, Leitung Vertrieb stationärer Buchhandel bei Libri, und Moderator Dr. Torsten Casimir (MVB) darüber zu diskutieren, was den stationären Buchhandel, speziell den inhabergeführten, heute ausmacht.
Während Herr Pfister sich zu Beginn erst einmal zurückhielt, tauschten sich Martina Bergmann, Buchhändlerin in einer kleinen Gemeinde bei Bielefeld, und Kathrin Schmidt, Gleiches im „Speckgürtel“ von München, bald angeregt aus. Auffällig hierbei: Beide Frauen gehen neben ihrer Haupttätigkeit noch weiteren Beschäftigungen nach, die mehr oder weniger großen Einfluss auf ihre Arbeit haben. Frau Schmidt ist Stadträtin und wird nicht zuletzt deshalb regelmäßig in ihrer Buchhandlung aufgesucht, um über regionalpolitische Themen zu diskutieren, und Frau Bergmann vertreibt nicht nur Bücher, sondern schreibt und verlegt auch selbst welche.
Eine erste wichtige Erkenntnis: Sie machen Dinge gründlicher. Während Filialisten Spezialisten beschäftigen – weil sie es sich leisten können und weil es mit ihrer Unternehmensgröße Sinn macht –, sind Inhaber kleinerer Buchhandlungen Personalunion. Und weil das so ist, sind sie praktisch immer im Laden. Sie sind präsent, sie sind anfass- und ansprechbar, und das macht sie authentisch. „Wenn du nicht authentisch bist, fliegst du auf die Nase“, wie es Frau Schmidt treffend ausdrückte. „In dem Moment, in dem ich nicht zu sehen bin, bricht der Umsatz ein“, fügte Frau Bergmann hinzu und gab dem Ganzen damit eine deutlich fühlbare Komponente.
Herr Pfister prägte an dieser Stelle ein Bild, das nicht nur die Teilnehmer auf dem Podium, sondern auch das Publikum reihum zum Schmunzeln brachte: Er beschrieb Filialisten als „Baumschulen“ – geordnete, aufgeräumte, übersichtliche Verkaufsflächen mit den üblichen, vom Kunden erwarteten Produkten. Inhabergeführte Buchhandlungen hingegen seien wie ein „Bauerngarten“ – eine bunte Mischung an Produkten, tolle Ecken, die je nach Saison anders gestaltet seien, andererseits jedoch nicht frei von problematischen Stellen.
Diese Vielfalt sei es auch, die neben der Persönlich-keit kleinere Buchhandlungen ausmache, war man sich einig. Ein „differenzierteres“ Angebot etwa finde man in der heutigen Verkaufslandschaft nur noch selten. Das mag am Für (ungewöhnliche, überraschende und neugierig machende Bücher) und Wider (empfindlich niedrigere Verkaufszahlen gegenüber Bestsellern) liegen, dem sich die Filialisten mit ihrem Konzept gebeugt haben. Dennoch seien Buchhandlungen insgesamt heute anders gestaltet als noch vor 20 Jahren. Um die Stammkundschaft zu halten, müsse man die angebotenen Produkte viel schneller durchtauschen. Dabei nicht nur abwechslungsreich, sondern auch individuell zu bleiben, sei Herausforderung und Stärke der kleineren Buchhandlungen.
Auch Verlässlichkeit scheint ein wichtiges Thema. Die Verfügbarkeit von Produkten über Nacht ist ein Service, den Dienstleister jeder Branche heute bringen müssen, weil die internetverwöhnte Gesellschaft ihn so gewohnt ist. „Ein Bauerngarten braucht trotzdem schöne Blumen, die schnell wachsen, sonst ist der Kunde mit einem Klick weg“, bringt es Frau Schmidt auf den Punkt. Frau Bergmann schließt sich an: „Ohne Krimis, Liebesromane, Einhörner und Ponys geht’s nicht.“
Eine Stimme aus dem Publikum brachte die Diskussion, die leider viel zu schnell ihrem Zeitlimit entgegenstrebte, schön auf den Punkt: Auch wenn Bauerngärten und Baumschulen gleichermaßen ihre Berechtigung hätten – „Wo gehen die Leute lieber spazieren?“.