Als ich 2003 nach Deutschland zog, wusste keiner, wo Georgien liegt. Ständig musste ich erklären, dass es sich nicht um den US-Bundesstaat oder eine russische Provinz handelt.“ Nino Haratischwilli (georgische Autorin und Hauptrednerin des Ehrengastes Georgien auf der Eröffnungsfeier der Frankfurter Buchmesse.)
Spätestens seit dem Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 18 dürfte den meisten wohl klar geworden sein, dass das Sehnsuchtsland zwischen Europa und Kaukasus mit seinen 3,7 Millionen Einwohnern nicht nur guten Wein zu bieten hat. Georgien, das im Westen ans Schwarze Meer, im Norden an Russland, im Süden an die Türkei und Armenien und im Südosten an Aserbaidschan grenzt, präsentiert sich als eine jahrtausendalte Kulturnation. Die Identität der georgischen Kultur definierte sich durch alle Epochen hinweg maßgeblich durch die georgische Sprache und Schrift. Das georgische Alphabet kann auf eine lange Geschichte zurückblicken und durchlief seit seiner Entstehung drei Entwicklungsstufen. Seine Anfänge reichen ebenso wie die Gründung der georgischen Hauptstadt Tiflis (Tbilisi) bis ins 5. Jahrhundert zurück.
Die georgische Schrift – Motto des diesjährigen Gastlandauftrittes
Die 33 einzigartigen Buchstaben des georgischen Alphabets mit seinen geometrischen Formen zählen seit 2016 zum UNESCO-Welterbe und prägen das Motto des diesjährigen Ehrengastauftrittes „Georgia – Made by Characters“, das sich im gesamten Frankfurter Stadtbild, auf der Messe und vor allem im Ehrengastpavillon wiederfindet.
Ein Motto, das nicht nicht nur die kunstvoll geschwungenen Buchstaben, sondern vor allem die Charaktere und Geschichten der georgischen AutorInnen, KünstlerInnen und MusikerInnen, präsentieren soll.
Rund 100 Verlage und 50 Buchhandlungen finden sich auf Georgiens Gesamtfläche von rund 70.000 km2. Mit rund fünf Millionen LeserInnen hat Georgien eher eine kleine Leserschaft. Doch während die Georgier unsere lateinische Schrift zumeist lesen können, blieb uns ihre Schrift, Sprache und Literatur bisher häufig verborgen. Doch spätestens seit der Gründung des Georgian National Book Center im Jahr 2014 und der Einführung des Übersetzungs-förderungsprogramms 2011 sind 200 Titel aus dem Georgischen in deutscher Sprache erschienen. Allein in diesem Jahr wurden über 150 georgische Titel auf dem deutschsprachigen Buchmarkt herausgegeben und 70 deutschsprachige Verlage haben Titel zu Georgien im Programm.
Literatur und Kultur aus dem Gastland
Bereits seit Anfang des Jahres und über die Buchmesse hinaus wurde und wird ein umfangreiches Literatur- und Kulturprogramm aus dem Gastland geboten: von Lesungen, Buchvorstellungen, Diskussionen, Konzerten, Ausstellungen und Installationen über Performances und Koch-Abende bis hin zu Theater hat Georgien Einiges in petto.
Allein zur Buchmesse waren über 70 georgische AutorInnen aus dem Gastland geladen, darunter auch Aka Morchiladze, einer der derzeit angesehensten
georgischen Schriftsteller, von dem in diesem Jahr gleich mehrere Titel ins Deutsche übersetzt wurden und die in Deutschland lebende georgische Autorin Nino Haratischwilli, deren Roman „Die Katze und der General“ 2018 auf der Shortlist des deutschen Buchpreises landete. Die georgischen AutorInnen und KünstlerInnen präsentierten sich in rund 350 literarischen Veranstaltungen und 100 Kulturevents in der Stadt und auf dem Messegelände.
Der georgische Pavillon
Die 33 Buchstaben des georgischen Alphabets sind nicht nur Sinnbild für die
„characters“ und Motiv der diesjährigen Gastland-Kampagne, sie finden sich auch in der Gestaltung des Ehrengast-Pavillons wieder. Ebenso vielfältig wie die geheimnisumwobenen Symbole sind die Geschichten, die Georgien mit den eigentümlichen Formen, Verzierungen, Piktogrammen und Ornamenten in der Architektur des Pavillons und den 33 großen Buchstabenskulpturen „Follow the Letters“ erzählt. Die große Fläche und moderne und durchlässige Architektur bietet Gelegenheit, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen oder auf Entdeckungstour zu gehen, der Melodie der georgischen Sprache im „Hub of Emotions“ zu lauschen oder mit einem gutem georgischen Buch in der Hand in der Ausstellung „Books on Georgia“ ein wenig zu verweilen und dem Messetrubel für einige Minuten zu entkommen.
Neben zwei Bühnen auf der die literarischen und kulturellen Hauptevents stattfinden, wie beispielsweise ein Konzert der berühmten georgischen Pianistin Khatia Buniatisvili am Eröffnungsabend, werden im „Hub of Reflections“, der auf kunstvolle Art im Stile eines georgischen Veranstaltungsaals gestaltet ist, Fotos der georgischen Hauptstadt Tiflis aus mehr als 70 Jahren präsentiert. Im „Hub of Symbols“ kann man selbst kreativ werden und georgische Buchstaben auf Postkarten drucken lassen und im Café Supra lässt sich nicht nur ein Häppchen, sondern auch der berühmte Wein erstehen.
Fotos und Text: Anika Andreßen
Weitere Infos unter:
https://www.georgia-characters.com
https://www.buchmesse.de/de/ehrengast/
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