Pia Stendera über die Veranstaltung „‘Female Perspectives – Publishing in Georgia‘ – Verlegerinnen aus Georgien im Gespräch“ der Bücherfrauen e.V. auf der Leseinsel der unabhängigen Verlage
Auch in diesem Jahr gehörte die Leseinsel der unabhängigen Verlage am späten Donnerstagnachmittag wieder dem Verein der Bücherfrauen. Sie nutzen das Podium nicht nur für die bewegende Auszeichnung der Stuttgarter Buchhändlerin Susanne Martin zur „Bücherfrau des Jahres“, sondern ließen vorab auch wieder Verlegerinnen des Ehrengastlandes zu Wort kommen.
Auf Nachfrage der Moderatorin Britta Jürgs nach dem Werdegang der drei Georgierinnen strahlen sie ein ähnliches Selbstverständnis aus, wie ihre französischen Kolleginnen im vergangen Jahr: Eine Frau zu sein, spielt in ihren individuellen Beschreibungen vorerst keine Rolle. Gvantsa Jobava beispielsweise, welche eine zentrale Funktion bei der Organisation des Auftritts Georgiens auf der Frankfurter Buchmesse innehatte, aber auch durch ihre Arbeit an der internationalen Buchmesse in Tifilis, der Georgischen Gesellschaft der Verleger*innen und Buchhändlerinnen sowie andere PR Tätigkeiten rund um das gebundene Wort einen Namen hat, beginnt die Beschreibung ihres Weges mit Buntstiften, Papier, Schere und Kleber im heimischen Kinderzimmer. Mariam Korinteli wiederum startet ihre Retrospektive vor fünf Jahren, als sie mit ihrem Mann ein Büchergeschäft im Georgischen Küstenort Batumi eröffnete und drei Jahre später um einen Verlag erweiterte. Besonders spannend allerdings waren die Schilderungen der Verlegerin Tina Mamulashvili, da sie verdeutlichten, was Georgien und seine Buchbranche so besonders macht: seine Geschichte.
Nach der Erklärung der Unabhängigkeit von der UdSSR gründete sie mit Bakur Sulakauri Publishing einen der ersten unabhängigen Verlage des Landes. Was nach Aufschwung klingen mag, stellte in Wirklichkeit ein schwieriges Unterfangen dar.
Georgiens Infrastruktur war seinerzeit so weit zerstört, dass die Menschen „vergaßen zu verlegen“. Eher verkauften sie ihre eigenen Bibliotheken auf der Straße, um an Nahrung zu kommen, als neuwertige Georgische Bücher zu kaufen, geschweige denn ohne Strom herzustellen.
Trotzdem – oder gerade deswegen – entschieden Mamulashvili, ihr damaliger Mann und sechs Autorinnen und Autoren Ende der 90er-Jahre den Schritt ins Verlagswesen. Als sie vor 20 Jahren gemeinsam zum ersten Mal Frankfurter Buchmesse besuchten, bemerkten andere lediglich das schöne Alphabet. Heute, im „most important year“ für Georgische Verlage bisher, sind sie Ehrengast.
Der Prozess dorthin wurde zu großen Teilen auf den Schultern von Frauen getragen, wie vieles nach den vergangenen Kriegen. Das machte sie stärker und unabhängiger, bemerkt Jobava. Trotzdem bleibt die Verlagsbranche die einzig frauendominierte, fügt Korinteli hinzu. Ob die Theorie Jobavas darüber, dass Frauen einfach intellektueller seien aufgeht, ist also streitbar.
Überhaupt wird klar, dass das Frauenbild der Georgierinnen etwas anders ist, als das unsere. Dass Männer die Verlage beispielsweise zumeist gründen, scheint ihnen ziemlich egal, solange Frauen das mittlere Management dominierten – schließlich ließe sich mit ihnen besser arbeiten.
Tina Mamulashvili resümierte nach 20 Jahren Verlagsarbeit, dass (georgische) Frauen sich besser organisieren könnten, hart arbeiteten und schneller lernten.
Unterm Stricht verdeutlicht das Podium, dass der Kampf um Positionen dieser Frauen, so selbstverständlich sie es auch darstellen mögen, jünger ist, als jener der 68er-Generation in Westdeutschland. Sie sind zu Recht stolz auf das Erreichte, wollen es schützen und zeigen. Es verdeutlicht auch, warum ein Austausch über den eigenen Tellerrand hinweg gewinnbringend und wichtig ist. Machtfragen sind politisch, oft unangenehmer als Lesungen aus schönen Büchern, aber leider durchaus relevant, wenn man über eine Branche redet. Diskussionsgrundlage bot dieses Podium allemal – auch für Feministinnen.