Cordula Simon ergründet in „Ostrov Mogila“ eine beengende, matriarchalische Lebenswelt
Mit freundlichem, aber entschlossenem Blick sitzt Cordula Simon am Lesepult. Anspannung ist ihr nicht anzumerken. Von dem Glas Wasser, das neben ihr bereitsteht, wird sie in den nächsten Minuten ihrer Lesung nichts trinken.Den Ablaufregeln gemäß wird das kurze Videoporträt der Österreicherin gezeigt. Spätestens jetzt sind die letzten Zweifel beim Publikum ausgeräumt.
Die gebürtige Grazerin, dieses Jahr 27 Jahre alt geworden, ist die jüngste Teilnehmerin beim Klagenfurter Wettlesen 2013. Eine blutige Anfängerin ist sie deshalb aber keineswegs, denn vergangenes Jahr veröffentlichte sie bereits ihren ersten Roman, „Der potemkinsche Hund“. Bevor Cordula Simon mit ihrer Lesung beginnt, macht sie noch eine Anmerkung in eigener Sache. Sie ist die Erste, die zumindest indirekt anspricht, dass das Schreiben nicht nur ihre große Leidenschaft ist, sondern ihr im besten Fall auch den Lebensunterhalt sichert. In einem bescheidenen Ton schickt sie voraus: Der vollständige Roman erscheint im Herbst diesen Jahres und kann bereits jetzt vorbestellt werden. Und damit ist auch gesagt: Es gibt ein schriftstellerisches Leben nach den Tagen der deutschsprachigen Literatur. Seien die Reaktionen der Jury auch noch so vernichtend. Cordula Simon entführt das Publikum mitten in das kleine, entlegene Walddorf Ostrov Mogila , Handlungsort einer matriarchalischen Gemeinschaft, aus der die junge Ich-Erzählerin verzweifelt auszubrechen versucht. Die einzige Hoffnung auf Flucht: ein Lastwagenfahrer, der Zugang zur Außenwelt.
Die Jury ist nach dem Romanvorgeschmack gespaltener Meinung. Die Argumentationen der sieben Kritiker zielen sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form des Textes. Einigkeit herrscht darüber, dass der Text Schwächen aufweise. Während das Setting und die Motivik mehrfach gelobt werden, kritisiert Burkhard Spinnen das abgenutzte Thema. Während Teile der Jury der Sprache Cordula Simons eine besondere Transportfunktion zusprechen, wertet Paul Jandl die Sprache als altmodisch, die keinerlei Flankierung des Inhalts zu leisten vermag. Wieder einmal zeigt sich: Literaturkritik lässt sich letztlich nie von subjektiven Geschmäckern trennen. So passiert es eben auch, dass – wie Burkhard Spinnen es formulierte – sich sogar Kritiker unglücklich in Texte verlieben. Als nicht ganz unvoreingenommener Leser, der Cordula Simons Debütroman kennt, vertraut man einfach darauf, dass die bisher nur angerissene Geschichte das Potential besitzt, auch über Romanlänge zu tragen. Ähnlich wie ein gut formulierter Klappentext haben es die ersten Seiten jedenfalls geschafft, die Neugier auf die nachfolgenden zu wecken. Es muss ja nicht gleich eine Vorbestellung sein. Aber die Spannung steigt. Fortsetzung folgt. Herbst 2013.
Stephanie Wolke