Von Stefan Katzenbach
Literaturberichterstattung ist aktuell vor allem aufgrund ihres schwindenden Raumes in den Medien in der Diskussion. Wie sie in Zukunft aussehen und wieder mehr Platz in der Öffentlichkeit bekommen kann, das wurde am Buchmessenmittwoch diskutiert.
Gute Rezensionen in den Medien bedeuteten zwar mehr Buchverkäufe, Verrisse würden dies aber schmälern. Ob Verlage ohne Literaturkritik besser bedient seien, wollte Moderatorin Miriam Zeh zum Einstieg von Kerstin Gleba, Verlegerin von Kiepenheuer&Witsch wissen.
„Wir wollen mit Büchern Öffentlichkeit schaffen und Diskussionen über Kunst und Kultur anregen. Bücher sind das Angebot eines Gesprächs, angeregt durch Rezensionen.“ Deswegen sei Literaturkritik für den Verlag essentiell, betonte diese. Auch Frank Menden, Buchhändler in der Buchhandlung „Stories“ in Hamburg, sieht die Sichtbarkeit von Büchern in den Medien als wichtig für den Buchmarkt an. Seine Kund:innen, größtenteils 4O Jahre und älter, würden vor allem durch Radio und Fernsehen auf Bücher aufmerksam.
Wenn Literatursendungen so beliebt seien, warum streiche BR 2 dann Sendungen, fragte Miriam Zeh die dritte Teilnehmerin in der Diskussionsrunde, Ellen Trapp, die Leiterin des Programmbereichs Kultur beim Bayrischen Rundfunk.
Es gehe nicht darum, Inhalte zu streichen, aber darum, Formen zu verändern, antwortete diese.
BR2 will neue Formate entwickeln
Die Sendung „Diwan“ werde zwar nicht mehr ausgestrahlt, dafür aber werktags zwischen 14:00 Uhr und 16:00 Uhr eine Sendung, die deutlich mehr Zuhörer:innen anziehen soll. Auch die Hörbücher würden nicht ersatzlos gestrichen, sondern in der Mediathek stattfinden. Der propagierte „Kahlschlag“ finde also nicht statt. Ob dadurch wirklich keine Minute verloren ginge, wenn zehn Stunden Programm gestrichen würden und durch ein Format zwischen 14:00 Uhr und 16:00 Uhr ersetzt werden würde, fragte Miriam Zeh und verwies auf eine Petition gegen die geplanten Programmänderungen, zu deren Unterstützer:innen viele bekannte Kulturschaffende gehören.
„Die Rechnung stimmt nicht“, erwiderte Trapp, schließlich sei Kultur auch fester Bestandteil des Programms zwischen 6:00 Uhr und 9:00 Uhr morgens. Ohnehin rechne der Sender nicht nach Minuten, sondern habe die Kernzeit sowie digitale Formate, die erfolgreich sind. Derzeit würden auch neue Formate entwickelt, um sich an ein jüngeres Publikum zu wenden.
Neue Literaturformate als Ergänzung zu den klassischen
Kerstin Gleba begrüßte den Ansatz, über die Weiterentwicklung von Formaten nachzudenken, wünschte sich aber auch, dass dabei mehr über die Inhalte nachgedacht würde, der Öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Rolle als Gegenwicht zu den kommerziellen Medienhäusern stärker ausspielen und eigene Impulse setzen würde. Gerade außerhalb klassischer Medien gäbe es eine intensive Diskussion über Literatur, dort fände eine „Demokratisierung des Diskurses über Literatur“ statt, es sollten neue Räume für „vertiefte Diskussionen über Literatur“ geschaffen werden, die nicht nur anhand von Klickzahlen beurteilt werden sollten.
Allein auf Social Media sollte diese Diskussion aber nicht stattfinden, davon zeigte sich Frank Menden überzeugt: „Social Media ist toll, aber der Fokus darauf schließt viele Zielgruppen aus.“ Bei ihm habe noch niemand ein Buch wegen Buchblogger:innen gekauft.
Ellen Trapp plädierte dafür, klassische Leser:innen und Social-Media-Interessierte gleichermaßen zu erreichen. Dafür müssten die Interessen des Publikums verstanden werden und auch, wo es Radio höre. Heutzutage gäbe es keine festen Zeiten, zu denen Menschen hörten.
Im Programm dürfe man dabei nicht elitär sein, schließlich sei Literatur ja selbst auch inklusiv.
In der geplanten Änderung, dass zukünftig nicht mehr neun Rundfunksender eigene Beiträge produzierten, und nicht mehr alle Sender alle Buchtitel besprechen würden, sondern nur noch drei Sender, sieht sie eine Chance:
„Wir können uns auf eigene Titel fokussieren, wenn die Bestseller schon bei den anderen Sendern besprochen werden.“
Kerstin Gleba plädierte für eine Vielfalt der Diskussionsformate:
„Es ist eine Verarmung, wenn wir nur noch ein Medium diskutieren. Gesprächsvielfalt lässt uns profitieren.“ Deswegen seien auch Präsenzlesungen als „Gegengewicht“ zu Online-Veranstaltungen weiter wichtig. Hier habe KiWi mit freien Kritiker:innen als Moderator:innen gute Erfahrungen gemacht.
Vermittlung neuer Formate und mehr Mut bei der Programmgestaltung
Ganz der digitalen Sphäre will auch Frank Menden den Literaturbetrieb nicht überlassen. Sie sei zwar in Teilen vielfältig, was die Buchauswahl und Rezension angingen, es gäbe durchaus „Nischenaccounts“, sagte er auf Nachfrage von Miriam Zeh, allerdings würden oftmals die gleichen Bücher an Blogger:innen verteilt, sodass es häufig wenig Unterschiedliches auf den jeweiligen Accounts gäbe. Hier würde er sich mehr Auswahl seitens der Verlage wünschen. Seine Kund:innen würden sich durchaus auch auf neue Literaturvermittlungsformate einlassen, zeigte er sich überzeugt, sie müssten an diese nur herangeführt werden. TikTok sei beispielsweise in der jetzigen Form eher abschreckend. Wenn es diverser wäre und nicht so „bunt und laut“, könnte es durchaus eine interessante Plattform sein.
Das fand auch Ellen Trapp, die TikTok als „Chance“ begreifen will, schließlich zeigten die dortigen Aktivitäten, dass Literatur funktioniere.
Welche Erwartungen an Literaturvermittlung Kerstin Gleba besonders an die Öffentlich-Rechtlichen hat, das betonte sie gegen Ende des Gespräches nochmal:
„Ich sehe eine große Nervosität und wenig Selbstbewusstsein in der Wahrnehmung des Kulturauftrags. Ich wünsche mir eine stärkere Wahrnehmung von Impulsen und weniger Orientierung an Hörergewohnheiten. Außerdem den Mut, gegen Lesergewohnheiten zu planen. Medien können Themen setzen und unbekannte Bücher in den Fokus stellen. Sie sollten ihre Expertise nutzen, um Bücher vorzustellen und ein vielfältiges Programm für viele Menschen zu gestalten.“