Dr. Rainer Weiss© weissbooks

Dr. Rainer Weiss
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Lars Claßen sprach mit Rainer Weiss, Verleger von weissbooks, über die Chancen und Schwierigkeiten eines Kleinverlags.

Herr Weiss, bei unserem letzten Interviewtermin vor einem Jahr sprachen wir unter anderem über den „iconic turn“. Sie sagten damals, die Macht des Bildes sei Vergangenheit, weshalb Sie auf Umschlagmotive verzichten könnten. Ihr Frühjahrsprogramm fällt zunächst durch seine neue, farbenfrohe Optik auf…
Weiss: Als wir seinerzeit mit dem Schweizer Grafiker Fritz Gottschalk zusammenkamen, hat es sofort gefunkt. Wie er die Skizzen möglicher Umschläge mit dem Bleistift anfertigte, das war fantastisch. Kein Mac, kein Schnick-Schnack, kein gar nichts. Wir beide, Anya Schutzbach und ich, waren so begeistert von seinen Entwürfen, dass wir uns entschieden, ihm zu folgen. Und dann haben wir ja — etwa ein Jahr später — auf der Leipziger Buchmesse diesen Buchmarkt-Award bekommen.

Silber für den besten Newcomer 2008.  
Weiss: Genau. Das Interessante daran ist, dass die Jury ihre Entscheidung sinngemäß damit begründete, dass weissbooks es mit kühnen Umschlägen in kürzester Zeit geschafft habe, sich auf dem Markt zu positionieren. Die Covergestaltung wurde also besonders hervorgehoben. Und tatsächlich sind wir ja auch mit unseren Büchern sehr schnell im Buchhandel angekommen. Dennoch gab es im vergangenen Jahr hin und wieder Rückmeldungen von engagierten Buchhändlern, die von Schwierigkeiten im Verkauf berichteten, die Bücher würden durch die Umschläge zu intellektuell wirken, zu kühl. Wir haben uns daraufhin mit unseren Autoren und Freunden zusammengesetzt und sind zu dem Entschluss gelangt, die Basis beizubehalten, den Umschlägen allgemein aber mehr Sinnlichkeit zu verleihen. Die Motive besitzen Symbolcharakter, wodurch sie leichter ins Gesamtkonzept des Verlags integriert werden können. Das Eis vom Umschlag der  Geliebten des Gelatiere etwa taucht in unseren Signaturen auf, es wird Buttons geben, Plakate usw.

Sie haben über zwanzig Jahre im Suhrkamp Verlag gearbeitet, waren Pressechef, Cheflektor und zuletzt Programmgeschäftsführer. Wo eröffnen sich einem kleinen Verlag Möglichkeiten, die ein großes Haus nicht hat, wo müssen Sie heute Abstriche machen?
Weiss: Das Große war schon auch sehr schön. Meine Zeit bei Suhrkamp war wunderbar. Im Kleinverlag jetzt muss man sich viele Dinge neu erarbeiten. Aber alles macht großen Spaß, das Risiko des Unternehmers trage ich gerne, das Neue reizt mich. Außerdem bewegen wir uns jetzt in einer Riege mit Verlagen, die listig und innovativ arbeiten, die man früher gar nicht so scharf wahrgenommen hat. Auch das ist sehr spannend.

Wie sieht es bei der Autorenakquise aus, gestaltet sich diese schwieriger als zuvor?
Weiss: Nein, nein, wir bekommen sehr viele gute Manuskripte. Es gibt viele Autoren, die in den großen Verlagen keine Heimat mehr haben, nicht aus Qualitätsgründen, sondern aufgrund von Positionierungsprozessen. Die gehen dann gerne in die kleinen Verlage, wo sie bestens betreut werden. International aber denke ich schon, dass Kleinverlage eher Schwierigkeiten haben, Lizenzen zu kaufen und zu verkaufen. Hier spielt die persönliche Reputation, die Gespräche abseits des Geldstroms ermöglicht, eine große Rolle. Durch meine langjährige Erfahrung habe ich da schon einen gewissen Vorsprung den Jungen gegenüber.

Anya Schutzbach und Sie bieten Buchhändlern an, sie in ihren Filialen besuchen zu kommen, um persönlich Ihr Programm vorzustellen. Wie schätzen sie das gegenwärtige Verhältnis zwischen den Verlagen und dem Handel ein, auch und vor allem hinsichtlich der neuen Entwicklungen? Ein Stichwort wäre etwa der Independence Day der Mayerschen.
Weiss: Es bewegt sich was, ganz klar. Auch bei den Ketten. Viele kreative Menschen kommen zusammen und sprechen miteinander über mögliche Veränderungen. Dass man dadurch mittlerweile auch in die Filialen z.B. von Hugendubel und der Mayerschen hineinkommt, ist sehr schön und zeigt den Erfolg der gemeinsamen Arbeit auf. Im Übrigen hatten wir natürlich genau diese Sorge, eben nicht dort hinein zu kommen. Für uns ist ja vieles völlig neu. Vor kurzem bin ich zur Einkaufsbörse der Mayerschen gefahren. Aufgeregt wir ein junger Hüpfer saß ich vor der Tür. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Buchhändler mich erwarten würden, wie groß der Saal sein würde, alles was ich wusste, war, dass ich für unsere gesamtes Programm sieben Minuten Zeit hatte. Und dann, als ich hinein gebeten wurde, saßen da doch tatsächlich 10-15 Leute, die sich fröhlich tuschelnd über die Giveaways unterhielten, die sie offensichtlich von dem Verlag, der vor mir dran gewesen war, bekommen hatten. Mein erster Gedanke war: „Mist, du hast nichts dabei, nicht die kleinste Kleinigkeit!“ Unseren Büchern haben sie dennoch viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Wie sehen Sie die Lage des Nachwuchses in der Branche? Mancherorts ist eine gewisse Skepsis gegenüber den Kompetenzen der Jüngeren zu spüren, halten Sie diese für gerechtfertigt?
Weiss: Vor etwa zehn Jahren gab ich an einer Universität ein Seminar, und es war wirklich unfassbar, die Studenten waren null belesen, ein Trauerspiel. Das wird auch heute nicht wesentlich anders sein. Trotzdem gibt es natürlich immer wieder welche, die pfiffig sind, die was wollen. Man muss selbst aktiv werden, das ist der Punkt, man muss Ideen haben, und diese dann auch irgendwann verwirklichen. Es gibt ja auch immer wieder neue Gründer, Leute, die etwas bewegen wollen.

Prinzipiell ist die Stellenlage allerdings alles andere als aussichtsreich…
Weiss:  Die Lage war immer schwierig. Und dennoch treffe ich heute viele junge Menschen, die in Verlagen unterkommen. Die Studenten der Buchwissenschaften in Mainz etwa kommen sehr gut an, Stephan Füssel tut da sehr viel. Ich sehe das alles gar nicht so dramatisch. Auch unsere Volontäre, da bin ich mir sicher, werden ihren Weg gehen und Erfolg haben, ganz bestimmt.

Herr Weiss, vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Lars Claßen


 

Dr. Rainer Weiss hat nach seiner Zeit bei Suhrkamp gemeinsam mit Anya Schutzbach (vorher ebenfalls Suhrkamp) 2007 den weissbooks Verlag gegründet. Das erste Programm erschien im Frühjahr 2008.