von Laura

Wir lieben Events. Roasting-Formate und FuckUp Nights, Slams, Barcamps, Hackathons, artsy Pop-up-Stores, Konferenzen mit Festivalatmosphäre, ungewöhnliche Lesungsorte oder Formate, bei denen im Sinne der Leseförderung auch gleich mal ein neuer Haarschnitt entsteht (schaut euch unbedingt Friseur Danny Beuerbach von bookalook_and_read_my_book auf Instagram an!), lassen unsere Herzen höher schlagen. Aber warum? Und wie gelingen Veranstaltungen so, dass sie bei den Gästen ein wohliges Gefühl hinterlassen? Auf dem Jahrestreffen der Jungen Verlagsmenschen widmete sich die AG Young Professionals diesem Thema und lud mit Ludwig Lohmann einen Experten ein, der leidenschaftlich gern Gastgeber ist.

Unter dem Titel „Die Inszenierung von Buchpremieren – Was man alles richtig machen kann“ wurde das Thema am 13. Juli 2019 interaktiv angegangen. Ludwig Lohmann, Mitarbeiter der Berliner Buchhandlung ocelot, not just another bookstore und Gründer von blauschwarzberlin, einer Anlaufstelle, die Literatur auf verschiedenste Weise ins Gespräch bringt, war für diesen Tag unser Dozent. Bereits in der Vorstellungsrunde kamen etablierte und weniger etablierte, unkonventionelle, abenteuerliche und gelungene, aber auch „vergeigte“ Lesungen und Literaturevents zur Sprache. Formate wie „zwischen/miete“, bei der die jüngste SchriftstellerInnengeneration zum Vorlesen in Wohngemeinschaften einkehrt, oder „Buchgenuss nach Ladenschluss“, das den kollektiven Traum vom „nachts allein in der Buchhandlung“ wahr werden lässt, sind von den Workshopteilnehmenden schon selbst erlebt worden. Deutlich wurde im Laufe des Gesprächs, dass es bei guten Events nicht nur um das WAS, sondern sehr oft auch um das WO und das WIE, und letztendlich immer um das WIR geht.

Lohmann erwähnte, wie die Raumkonzeption zur Entfaltung und Visualisierung einer Geschichte beitragen kann. Er ging auch auf das sich inmitten der Digitalisierung stark verändernde Mediennutzungsverhalten von uns InhaltskonsumentInnen ein: „Da sich die Aufmerksamkeitsökonomien verschieben, ist es notwendig, sich mit Erlebnissen ins emotionale Gedächtnis einzuschreiben.“ Nicht selten geschieht dies unter Einbezug aller Sinnesebenen. So wird der literarische Content längst nicht mehr nur gelesen, sondern auch geschaut, gehört, gekocht, geschmeckt, gewürzt, gefeiert, gespielt, getanzt, reflektiert, projiziert, dekonstruiert – je nachdem, welche künstlerisch-transmediale Bearbeitung der Stoff provoziert. Wichtig beim Plotten von Literaturevents ist in jedem Falle, die Präsentationsweise zielgruppenspezifisch zu konzipieren. Nicht Jede*n zieht es zur szenischen Lesung in trashige Off-Locations. Die Frage hierbei sollte sein, ob das gewünschte Publikum mit Orten und Formaten, die eine gewisse Hemmschwelle implizieren, auch wirklich zu erreichen sei, erklärte Lohmann.

Schwerpunkt des Workshops war das Planen einer idealtypischen Premierenlesung. In drei Gruppen wurde zu den Oberthemen Inszenierung, Projektmanagement und Budgetierung gebrainstormt, um die Ergebnisse anschließend einander vorzustellen. Hier konnten die Teilnehmenden vieles von und mit Referent Ludwig Lohmann lernen. Einige Tipps und Tricks werden an dieser Stelle verraten:

  • Timing ist alles! In Großstädten wie Berlin, Köln oder München finden täglich zahlreiche Kunstprojekte, Lesungen und Veranstaltungen statt. Um gewünschte Location und Besetzung zu ergattern, sollte also immer entsprechend frühzeitig angefragt werden.
  • Ähnlich verhält es sich bei der Bewerbung von Events, vor allem in analogen Medien. Nicht nur der Redaktionsschluss im Feuilleton ist hierbei interessant. Es lohnt sich auch, einen Blick in den Veranstaltungskalender der Konkurrenz zu werfen.
  • Eine gute Moderation ist unersetzlich und nicht immer leicht zu finden. Hierfür lohnt es sich, Geld auszugeben. Nur die wenigsten Künstler*innen kommen ohne diese Rahmung aus. Die Dynamik eines Dialogs ist immer spannender als Alleinunterhaltung.
  • Die Stellen zum Vorlesen sollten bereits vorher, nicht erst spontan während der Lesung ausgewählt werden.
  • Da das Produkt nach der Lesung idealerweise verkauft werden soll, herrscht striktes Spoilerverbot. Frage hierbei ist immer, wo sich das „Energiezentrum des Buches“ befindet, erklärt uns Lohmann. Wenn dies in der Auflösung der Geschichte liegt, dann sollte sie nicht zur Lesung stattfinden.
  • Gute Mood-Manager*innen haben das Detail im Blick und schaffen eine passende Atmosphäre, bspw. durch Musik. Ein Tipp, teure GEMA-Gebühren zu umgehen, ist, MusikerInnen mit Eigenkompositionen zu präsentieren.
  • Ein exklusives FAQ mit AutorInnen ist für das Publikum äußerst reizvoll. Um jedoch den „wenns am Schönsten ist“-Moment als VeranstalterIn nicht zu verpassen, sollten nicht mehr als drei Fragen zugelassen werden.
  • Wer nicht zu viel Budget für Catering übrig hat, jedoch etwas anbieten möchte, der/die wähle die gute alte „Kulturbrezel“.

Alles in allem hat uns dieser Workshop wirkliches ExpertInnenwissen vermittelt. Eine simple Formel zur Berechnung des Superevents konnte uns Lohmann aber nicht liefern. Das Schaffen emotionaler Erlebnisse kann man nun mal nicht rationalisieren. Da hilft nur: ausprobieren, miterleben, empathisch sein. „Gutes Veranstalten heißt immer Gastgeber zu sein, und das wiederum heißt zu wissen, was die Leute brauchen – möglichst, bevor sie es selbst wissen. Alle müssen sich wohlfühlen. Dazu gehört auch, dass der Mensch, der an der Kasse sitzt, etwas zu trinken hat.“

Wir sind begeistert von so viel Empathie und sagen danke für viele wertvolle Impulse! Besonderer Dank gilt der AG Young Professionals, die den Workshop möglich gemacht haben, dem Referenten Ludwig Lohmann und den diskussionsfreudigen TeilnehmerInnen. Und wenn sie nicht gerade die nächste Veranstaltung planen, tanzen sie gedanklich womöglich noch immer auf der legendären JVM-Kopfhörerparty des mediacampus Frankfurt – auch ein äußerst gelungenes Event!