In der Veranstaltung „Digital Leadership“ im Orbanism Space (Mittwoch, dem 19.11.2016  von 11-12) auf der Frankfurter Buchmesse 2016 ging es um Erfolgsfaktoren für den notwendigen Kulturwandel in Medienunternehmen. Teilnehmende waren Moderatorin Dr. Kirsten Steffen von Bommersheim Consulting sowie Rita Bollig (Random House) und  Christian Damke (Open Publishing).

Als erstes interessierte sich Frau Dr. Steffen dafür, wie Führungspersönlichkeiten denn Digital Natives führen würden. Rita Bollig erzählte erst einmal allgemein von der Situation bei Random House, wie dort die zunehmende Digitalisierung angegangen werde, um mit Onlinemarketing die Reichweite zu erhöhen. Dabei habe man ein Team von zehn Leuten, jeder auf seinem Gebiet ein ausgewiesener Experte.

Auch Herr Damke ging auf die Herausforderungen der Digitalisierung bei Open Publishing ein, die Backlist-Digitalisierung umfasste, Online-Marketing und Rechte und die Bereitstellung von Büchern auf Skoobe.

Anschließend sprach Dr. Steffen die Tatsache an, dass Mitarbeiter oft wegen einer Führungskraft bleiben – oder eben gehen. Christian Damke erläuterte, dass man bei Open Publishing eine flache Hierarchie und eine freundliche Atmosphäre habe. Dennoch sei es richtig, dass vor allem in einem so dynamischen Umfeld nötig sei zu führen und geführt zu werden. Auch bei Random House gebe es eine flache Hierarchie, sagte Bollig, fügte aber hinzu, dass Mitarbeiter eher aufgrund der zu erledigenden Aufgaben kommen würden als wegen Führungskräften oder des Unternehmens. Überhaupt habe sich die Situation geändert. Konnten Personalverantwortliche früher fragen: „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“, würden potentielle Mitarbeiter heutzutage selbstbewusst fragen, wohin sie sich denn überhaupt im Unternehmen weiterentwickeln könnten. Die Situation sei mittlerweile eine ganz andere. Erste Amtshandlung von Bollig bei Random House war es, das gesamte Team mit Laptops auszustatten, um flexible Arbeitszeit vom Home Office zu ermöglichen.

In dem Zusammenhang wurde Dr. Steffen auch gleich neugierig und wollte wissen, wer denn über Neueinstellungen entscheiden würde, die Führungskraft oder auch das Team – was ja für Kandidaten eher anspruchsvoll sei.

Bei Open Publishing sei das ganze kein Teamprozess, berichtete Damke. Um die anderen Mitarbeiter kennenzulernen, gebe es den Einarbeitungstag. Da könne man feststellen, ob Kandidat und Team gut zusammenarbeiten würden – schließlich sei die Zusammenarbeit in einem internationalen Unternehmen, teils mit Workflows über Skype, ja anspruchsvoll.

Bei Random House würden die Bewerbungsgespräche teils über zwei Runden gehen, sodass in der zweiten Runde auch Teammitglieder die Chance bekämen am Bewerbungsprozess teilzunehmen. Fachlich sei das sinnvoll, da diese thematisch die Arbeitsproben besser beurteilen könnten als Bollig selbst. Im Grunde zähle aber das Bauchgefühl, in welchem die Personalverantwortlichen und das entsprechende Team überwiegend derselben Meinung gewesen seien.

Dr. Steffen fragte bei beiden Teilnehmern nach, wie sie mit der Situation umgehen, dass die Unternehmen sich jetzt bei potentiellen Mitarbeitern bewerben müssten.

Hier konstatierte Bollig, dass Positionsbeschreibungen wirklich sehr sauber geschrieben sein müssten, was die Keywords angehe. Außerdem streut Random House Stellenanzeigen, zusätzlich zu den üblichen Stellenbörsen, auch über Social Media und rief das Programm „Books & Buddys“ ins Leben, in dem es für Mitarbeiterempfehlungen Gratifikationen in Form von Büchern gebe.

Damke konstatiert, dass es bei Juniorpositionen noch genügend Bewerber gebe. Auf jeden Fall müsse aber eine gewisse Leidenschaft für Bücher bei allen Bewerbern vorhanden sein.

Auf die Frage von Dr. Steffen, wie sich die Buchbranche für Bewerber denn attraktiv halten kann, antwortete Bollig, dass man als Unternehmen schon zeigen müsse, dass man Lust habe, langfristig in Systeme zu investieren und man einen langen Atem habe, wenn man Geld investiere. Lust am Buch setze Random House natürlich voraus.

Damke ergänzte daraufhin, dass es bei Open Publishing Teambuilding-Maßnahmen gebe, um den Zusammenhalt zu stärken. Eine Fotografiegruppe könne etwa Ausstellungen in Meetingräumen veranstalten.

Gibt es denn Kern-Skills, die sie bei Bewerbern erwarten würden? Für Bollig ist das definitiv eine ständige Bereitschaft zu selbständiger Weiterbildung, Offenheit für Kritik und eine gute Zusammenarbeit mit dem Team. Wer ein Einzelbüro bevorzuge und eine 9-5-Mentalität lebe, sei bei Random House sicher nicht gut aufgehoben. Für Open Publishing ist ebenfalls das Interesse und Engagement von Mitarbeitern nicht nur zu erwarten, sondern gegebenenfalls auch zu unterstützen. So habe man einer Kollegin einen Besuch auf der re:publica in der Arbeitszeit genehmigt.

Und sind Studierende der Buchwissenschaft eigentlich gut vorbereitet auf das Digitale? Damke findet hier, dass ein Interesse für das Digitale keine Alterfrage sei. Schließlich würden sich auch Ältere für E-Books interessieren, damit die Bücherschränke nicht noch voller werden würden.

Bollig widersprach an dieser Stelle, dass dies sehr wohl eine Frage des Alters sei. Buchwissenschaftler hätten es als Bewerber bei ihr eher schwer, frage sie sich doch, ob es realitätsnah sei, die Geschichte der Buchwissenschaft zu unterrichten, wenn es so wichtige Inhalte wie Digitales Publizieren gebe.

Dr. Steffen kehrte noch einmal zum Begriff „Digital Leadership“ zurück und fragte die beiden, wie sie denn führen gelernt hätten. Christian Damke berichtete von einem Nachwuchsprogramm für Führungskräfte, an dem er bei Bertelsmann teilgenommen habe. Später bei Random House habe er führen gelernt, indem er geführt habe: „Man kann nur lernen, indem man es macht.“ Aber auch Feedbackgespräche würden helfen.

Rita Bollig erklärte, dass viele Unternehmen einfach jemanden zur Führungskraft machen würde, ohne der- oder demjenigen dabei zu helfen. Sie selbst habe einen Coach und Mentor für systemischer Coaching, der gnadenlos spiegeln würde.

Hier stimmte Dr. Steffen zu, dass es auch für Führungskräfte gelte und helfen würde, sich zu hinterfragen. Schließlich könne und müsse man auch Führung lernen. Abschließend fragte sie, was das Highlight in ihrer jeweiligen Position sei. Christian Damke äußerte sich hier begeistert darüber, dass doch mehr gelesen werde als jemals zuvor. Und dazu beizutragen, dass eben Lesen weiter Spaß mache, sei doch eine großartige Sache. Hier schloss sich Rita Bollig an. Man sei in einem solchen Umbruch, da sei es doch eine tolle Sache, mit engagierten Menschen das Thema voranzutreiben. Das sei das, was Spaß mache!

 

Peter Frankemölle