Am 10. Mai trafen sich die Junge Verlagsmenschen aus Niedersachsen und warfen einen Blick hinter die Kulissen der Schauspielkunst.
Immer wieder erstrahlt ein anderer Teil des gewaltigen Vorführsaales im Lichtkegel der Scheinwerfer. Ein Techniker gibt von der Bühne aus seinem Kollegen letzte Anweisungen zur Prüfung der Einstellungen. Die finalen Vorbereitungen für die Aufführung des Science-Fiction-Klassikers „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury sind in vollem Gange.
„Wir sind kein Ensuite-Haus, hier wird jeden Tag für ein anderes Stück geprobt, und das erfordert jedes Mal eine neue Lichtinstallation“, erzählt Peter Füllgrabe, Mitarbeiter des Theaters und Leiter des Künstlerischen Betriebsbüros, mit gedämpfter Stimme, um die Techniker bei ihrer Arbeit nicht zu stören. Die Junge Verlagsmenschen haben in der Logen-Reihe Platz genommen und lauschen aufmerksam seinen Worten. Von der Entstehung über seinen Werdegang bis hin zum jährlichen Budget und den Schauspielergagen gibt er einen umfassenden Überblick über allerlei interessante Daten und Fakten des Deutschen Theaters. Sichtlich beeindruckt ist die Gruppe vom majestätisch anmutenden Kronleuchter an der Decke des Saales, der mit seinen 3600 Glasteilen die Blicke der Besucher auf sich zieht. Das wirft doch gleich die Frage auf, wie viel Strom denn eigentlich so ein Theaterbetrieb am Tag verzehrt. „Da rechnen Sie mal mit einem Verbrauch von dem eines Einfamilienhauses pro Woche“, überschlägt Peter Füllgrabe.
Im gedämmten Licht und auf knarrenden Dielen führt er die Gruppe weiter zur Seitenbühne, die außerhalb des Blickfelds vom Publikum liegt. Sie gleicht ein wenig einer gerade frisch bezogenen Wohnung, in der noch die zerlegten Möbel und vollgestopften Kisten nach einem Umzug verteilt sind. Zahlreiche Requisiten stehen oder liegen aneinandergereiht auf dem Boden oder an den Wänden, eine riesige Trittleiter ragt bis kurz unter die Decke und in einer kleinen, freigehaltenen Nische steht das Steuerpult mit einem Bildschirm. Ein wichtiges Gerät, um den Ablauf während der Aufführung genau zu überwachen. Auch für die nötige Sicherheit ist bestens gesorgt. „Neben der Suffleuse, die von Anfang an bei den Proben dabei ist, sitzen immer ein Rettungssanitäter und ein Feuerwehrmann mit im Publikum“, erklärt der Gastgeber.
Einige Etagen über der Bühne befinden sich die Garderobengänge, an jedem ihrer Enden eine Maske. Beim Betreten lässt die Ausstattung des Raumes bereits deutlich auf die hier stattfindenden Tätigkeiten schließen. In der Mitte liegen bunt verstreut auf einem großen Tisch die unterschiedlichsten Perücken aus Kunst-, Büffel- oder asiatischem Echthaar. Dazwischen lugt ein Kopf mit orthopädischen Glasaugen hervor. Beachtliche Modelle, aber wer stellt sie her? „Hier in der Maskenwerkstatt arbeiten überwiegend Maskenbildner“, weiß Peter Füllgrabe, „sie haben in der Regel eine Ausbildung zum Frisör absolviert, das ist die Voraussetzung.“
Da Schauspieler von Kopf bis Fuß eingekleidet werden müssen, lassen sich die Junge Verlagsmenschen eine kurze Stippvisite in der Schneiderei nicht vorenthalten. Gerade läuft die Produktion für ein historisches Bühnenstück, für die eine Mitarbeiterin des Theaters alte Kleider von vor 20 Jahren wieder aufarbeitet. Als Grundlage dient der Kleidschneiderin eine Zeichnung, die der Kostümbildner nach seinen Vorstellungen angefertigt hat. Der Mitarbeiterin bleiben ca. drei Wochen für die Umsetzung, denn Zeit zur Anprobe und für evtl. Änderungen muss auch noch sein. Außerordentlich wichtig und unbedingt zu bedenken ist dabei die schnelle und leichte Handhabbarkeit des Kleiderwechsels. „Manche Umzüge finden in nur 30 Sekunden statt!“, warnt die Kleidschneiderin. Während der Live-Aufführung zahlt sich gute Arbeit dann aus: „Beim Kleinen Horrorladen haben die Anzieherinnen einen langen Applaus bekommen“, erinnert sie sich mit einem Lächeln.
Führt man sich nun vor Augen, dass das Theater etwa 450 Vorstellungen in jeder Spielzeit bietet, liegt für die Junge Verlagsmenschen eines klar auf der Hand: So schnell kommt keine Schneiderei hinterher. Peter Füllgrabe enthüllt das Geheimnis und öffnet die Tür zum Lager. Schuhe, Anzüge, Krawatten, Socken, Hosen … hier gibt es nichts, was es nicht gibt. Für jede Schauspielform steht die passende Kleidung zur Verfügung. Und sollte es doch mal an etwas mangeln, gewährt ein schneller Zugriff auf das 600 Quadratmeter große Außenlager Sicherheit. Auf den Treppenstufen hinunter zum Hof kriecht ein dezenter Farbgeruch in die Nase. Wir sind auf dem Weg zur letzten Station unserer Führung. In einem separaten Gebäudeteil finden sich Dekorationsabteilung, Tischlerei und Malersaal wieder. Hier lagern Möbelpolster, Vorhänge und Wandbespannungen und es entstehen Bühnenbild und Requisite. „Das Bühnenbild muss so gearbeitet sein, dass es in einem Lkw transportfähig ist“, gibt Peter Füllgrabe zu bedenken, da das Deutsche Theater hin und wieder auch mal in anderen deutschen Städten gastiert. Mit vielen neuen Eindrücken verlassen die jungen Verlagsmenschen in den späten Abendstunden das Schauspielhaus. Und sie sind sich einig: Die Wertigkeit einer Theaterkarte ist nach diesem Besuch eine ganz andere!
Stephan Brünig