von Helena Sindl

Die Liebe zur Literatur ist groß und weit verbreitet, aber was sind die Aufgaben und die Kernfähigkeiten des Lektors?

Das Lektorat ist für viele, die eine Karriere im Verlags- und Buchwesen anstreben, ein Wunschberuf. Christiane Schmidt, die unter anderem als Cheflektorin bei Hoffmann und Campe gearbeitet hat und mittlerweile als freiberufliche Lektorin tätig ist, skizziert auf dem Podium des Fachforums 2 der Leipziger Buchmesse 2019 die Aufgaben und Möglichkeiten des Berufsfeldes.

Leidenschaftsberuf Lektorat

Man müsse verstehen, dass das Lektorat ein „Leidenschaftsberuf“ sei, so Christiane Schmidt. Wie bei so vielen Berufen im kulturellen und journalistischen Sektor sei ein Lektor oder eine Lektorin mit Schwierigkeiten konfrontiert, die nur mit einem gewissen Handwerk und einer gewissen Willensstärke gemeistert werden können.

Den Einstieg in das große Arbeitsfeld des Lektorats suchte sie über die Teilbereiche der Belletristik und des Sachbuchs zu erklären. Der Lektor oder die Lektorin hat – ganz gleich ob in der Belletristik oder im Sachbuch –  bestimmte Arbeitsbereiche abzudecken: die Text- und Autorinnenakquise, die Textarbeit und die Autorinnenbetreuung. Überdies noch die Programmplanung, die Titelkalkulation sowie die externe sowie interne Kommunikation, etwa mit dem Bereich Herstellung.

Die unabhängigen Fähigkeiten eines Lektors

Bei der Akquise sollte man sich stets bewusst machen, welche Themen gegenwärtig von Bedeutung seien. Ein gesellschaftspolitisches Interesse und eine gute Allgemeinbildung gehören bei der Berufsentscheidung für das Lektorat zu notwendigen Bedingungen Der Blick für relevante Themen sollte so durch den Besuch von Fachkongressen, eine offene Einstellung zur Kulturszene und den Feuilletons sowie einen steten Austausch mit Kolleginnen und Kollegen geschärft werden.

Der Lektor oder die Lektorin muss in der Lage sein, einen Text zunächst unbefangen zu lesen. Im Anschluss müssen die Beweggründe für eine Zusage oder Absage entlang nachvollziehbarer Kriterien formuliert werden; eine Fähigkeit, die sich zum Teil erst über Jahre entwickle. Grundsätzlich sei eine solche Entscheidung im Sachbuchbereich leichter als in der Belletristik zu treffen, was in der innertextuellen Logik und faktischen Richtigkeit des Genre begründet liegt. Belletristische Texte erforderten eine intensive Auseinandersetzung, die in den meisten Fällen noch über eine rein inhaltliche Korrektur hinaus reiche. Der Lektor oder die Lektorin müsse sich in die Mentalität und die Kultur einer Sprache, ob Mutter- oder  Fremdsprache, hineinversetzen können. Daher gehe das Lektorat über ein reines Textkorrektorat hinaus.

In beiden Teilbereichen sind Genauigkeit, Kommunikationsfähigkeit sowie Aufrichtigkeit unabdingbare Charaktereigenschaften für den Lektor oder die Lektorin, sowohl im Umgang mit Autoren und den Fachabteilungen eines Verlags.

Autoren und Lektoren — beste Freunde?

Im gesamten Arbeitsprozess nimmt das Verhältnis zwischen Autor und Lektor Einfluss auf die Arbeit. Schmidt beschreibt die Beziehung aber als von einem Ungleichgewicht geprägt. Während der Autor oder die Lektorin künstlerisch tätig sei, greife der Lektor in ein von persönlichen Erfahrungen geprägtes Werk korrigierend ein. Daher arbeite man auf einer intimen Ebene, deren Grundlage Vertrauen darstelle.

Einen gelungen Einstieg ins Lektorat bieten Praktika und Volontariate, so Schmidt. Dies sei mittlerweile der gängige Weg.