Am Messefreitag fand eine Veranstaltung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zum Thema VG-Wort Urteil und die Konsequenzen für die Verlage statt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Sprang, der Justiziar des Börsenvereines und Rainer Just, Vorsitzender der VG-Wort, bekamen Verleger die Möglichkeit ihr Fragen bezüglich der Modalitäten und Abwicklung der neuen Gesetzeslage zu stellen.
Zu Beginn erläuterte Herr Prof. Dr. Sprang in aller Ausführlichkeit die Komplexität der gesamten rechtlichen Situation und vermittelte ein breites Hintergrundwissen zu den Mechaniken der Justiz in diesem speziellen Fall. Danach ging Herr Just noch genau auf die weiteren Schritte von Seiten der VG-Wort ein.
Des Pudels Kern – das Urteil
2011 klagte der Wissenschaftsautor Dr. Martin Vogel gegen die VG-Wort, da er mit dem Verteilungsusus der VG-Wort nicht einverstanden war. Er wollte erreichen, dass die Verleger nicht mehr an den Erlösen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt werden und begründete dies auf juristischen Formalien wie das sogenannte Prioritätsargument. Das besagt, dass Verlage keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch haben, wenn der Autor selbst diese Ansprüche bereits vor Abschlusses des Verlagsvertrages mittels eines Wahrnehmungsvertrages an die VG-Wort übertragen hat. Ein solcher Vertrag ist sowohl von Seiten der Autoren als auch der Verlage notwendig, wenn sie von den Ausschüttungen an allen auftretenden Bereichen, profitieren wollen.
Das Landesgericht und das Oberlandesgericht in München gaben Vogel Recht und die VG-Wort legte Revision ein.
Der Bundesgerichtshof setzte diesen Prozess zunächst einmal aus, denn zeitgleich gab es ein ähnliches Verfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH). In diesem Prozess hatte Hewlett-Packard die belgische Schwestergesellschaft der VG-Wort aus Unzufriedenheit mit ihren zu zahlenden Geräteabgaben verklagt. Auch dieser Prozess verläuft für den Kläger erfolgreich und das vorhandene Gesetz wird für europarechtswidrig erklärt. Somit ist auch der Bundesgerichtshof zur Handlung gezwungen.
Die Konsequenzen beider Urteile
Für die gesamte Verlagsbranche hat dieses Urteil schwerwiegende Folgen. Seit Ende 2015 sind die Verlage von Zahlungen der VG-Wort abgeschnitten und es werden keine Ausschüttungen mehr stattfinden, bis sich die Rechtslage ändert. Es stehen Rückforderungen, auch rückwirkend für die Jahre 2011–2015, im Raum. Das ist eine Summe von ca. 300 Mio. Euro– wir reden hier also von Beträgen, die vor allem kleinere Verlage auf einen Schlag in den Ruin treiben.
Darüber hinaus sind die Verlage nun dazu verpflichtet, ihre Bilanzen von 2015 noch einmal zu öffnen, da das Urteil des EuGHs bilanzrechtlich als „wertaufhellende Tatsache“ gilt. Das Prinzip der Wertaufhellung besagt, dass man beim Jahresabschluss alle vorhersehbaren Risiken (Insolvenzen von Geschäftspartnern zum Beispiel) und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, berücksichtigen muss, auch wenn sie nach dem Bilanzstichtag aber vor der Bilanzerstellung entstanden sind. Das VG-Wort Urteil schlägt sich als wertaufhellende Tatsache nieder, da es vor dem Stichtag geschah, aber vor Bilanzerstellung bekannt geworden ist. Daher muss es in der Bilanz des alten Jahres berücksichtigt werden.
Des Weiteren ist die Existenz gemeinsamer Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlag durch ein solches Urteil gefährdet. Die Vertrauensbasis, auf der bis dato agiert wurde, ist nun zerstört.
Ein Schrecken ohne Ende?
Dem Bundesverfassungsgericht liegt gerade eine Verfassungsbeschwerde vom Börsenverein vor, denn dieses Urteil ist de facto ein tiefer Eingriff und eine Einschränkung im geistigen Eigentum der Verlage, was schlichtweg verfassungswidrig ist. Ob dieses Klage allerdings Erfolg haben wird, ist ungewiss. Nur 2,5% aller Verfassungsklagen am Bundesverfassungsgericht kommen überhaupt zu einer Anhörung. Nach dem jetzigen Stand ist die Lage aber mehr als düster und dass überhaupt noch jemand das gesamte Verfahren in seiner Komplexität begreift, ist ein Wunder.
Eine Lösung auf politische Ebene wäre ein großer Vorteil und die Hoffnung aller. Allerdings geschieht auf dieser Ebene enttäuschend wenig. Am besten wäre es für alle Beteiligten, wenn der Gesetzgeber die Verlage wieder zum Ausschüttungsempfänger macht.
Leider war der Tenor der Veranstaltung nicht von allzu großer Hoffnung getragen, eher von Resignation und dem Versuch, sich langsam mit den neuen Umständen abzufinden. Das ab und an ungläubige Schnauben der anwesenden Verleger sprach für sich.
Zum Weiterlesen und für einen detaillierteren Bericht:
ZEIT-Kommentar: https://www.zeit.de/kultur/literatur/2016-04/bgh-vg-wort-verlage-kommentar
Kommentar von Prof. Dr. Christian Sprang: https://www.boersenblatt.net/artikelanalysevonboersenvereinsjustiziarchristiansprang.1141624.html
Katharina Muschiol