Im digitalen Zeitalter, in dem E-Books und Co. einen schnellen und günstigen Zugriff auf literarische Inhalte ermöglichen, gewinnt die ästhetische Gestaltung der Printmedien eine stärkere Relevanz. Wie Standardisierung und der Aspekt der Schönheit miteinander einhergehen können, diskutieren am Freitag der Frankfurter Buchmesse Monika König (Kiepenheuer und Witsch), Carsten Schwab (Diogenes) und Olaf Deconinck (MairDumont). Die Moderation der Veranstaltung übernehmen Prof. Dr. Rolf Jäger und Andrea Hehn von der Hochschule der Medien Stuttgart.
Was ist Schönheit?
Zunächst soll der Begriff Schönheit definiert werden. Für König ist hierbei das Verhältnis von Inhalt und Außengestaltung wichtig, welches aufeinander abgestimmt sein soll. Zudem macht sie deutlich, dass auch in der Standardproduktion hochwertige Gestaltung möglich ist. Schwab stellt die handwerkliche Qualität in den Fokus. Als Beispiel führt er einen manuellen Aufwand in der Gestaltung des Schriftbildes an, sowie die Verwendung von hochwertigen Materialien und Bindungstechniken. Deconinck, der mit MairDumont die Branche der Reiseführer vertritt, betont zudem, dass Schönheit auch mit dem praktischen Nutzen des Produkts vereinbar sein muss.
Auf die Frage welche Bücher sie spontan als besonders schön charakterisieren würden benennt König „Die geheime Geschichte von Twin Peaks“ von Mark Forster aus dem eigenen Haus. Schwab verweist auf die Naturkunde-Reihe von Matthes & Seitz, deren Materialität von Anfang an im Konzept gedacht worden sei. Zudem fällt ihm die neu illustrierte Fassung von „Peter Pan“ ein, die bei Diogenes erschienen ist. Hierbei seien aufwendige Detailarbeiten notwendig gewesen, welche die Farbenpracht und die erzählerische Vielfalt unterstreichen.
Die Zielgruppe im Auge
Wie die Arbeitsprozesse in den einzelnen Häusern aussehen würden, möchte Andrea Hehn wissen. Bei Diogenes gäbe es ein wöchentliches Design-Meeting erklärt Schwab. Die hier geschmiedeten Ideen würden mit Lieferanten, Buchbindern und Druckern abgesprochen und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Hier spiele natürlich auch die Preiskalkulation eine wichtige Rolle. Außerdem sollen auch die Trends in anderen Verlagen immer im Blick behalten werden. MairDumont hingegen befinde sich gerade im Umbruch. Die aktuelle Ansatzänderung erfordere konkrete Zielgruppenkonzepte der einzelnen Marken. Daher befinde sich der Verlag derzeit in einer intensiven Marktforschungs-Phase. König zeigt zudem auf, dass auch ein direktes Kundenfeedback von Bedeutung ist. So lädt Kiepenheuer und Witsch ein bis zweimal im Jahr ausgewählte Buchhändler zum Gespräch in den Verlag.
Der Inhalt ist immer noch zentral
Neben aufwendigen Veredelungspraktiken gibt es einen ganz rudimentären Baustein, der zur Schönheit des Buches beiträgt: die Typografie. König betont in diesem Zusammenhang, dass der Inhalt immer noch zentral sei, da sich ein Buch nicht nur über ästhetische Merkmale verkaufen ließe. Schwab fügt hinzu, dass der Hauptauslöser für einen Kauf die persönliche Empfehlung sei. Für die Rolle der Typografie zieht er einen Vergleich mit dem Kölner Dom. Dieser wirke als Raum ohne, dass alle strukturellen Merkmale erkennbar würden. Daraus schließt er, dass Typografie vielleicht nicht bewusst wahrgenommen werde, aber dennoch eine wichtige Rolle für die Wirkung des Textes spiele. König macht zudem deutlich, dass sich das Rezeptionsverhalten durch den Einfluss von Laptops und PCs stark verändert habe, der Blick sei ein anderer geworden. Deconinck verweist letztlich darauf, dass das Produkt auch dem Genre entsprechen muss.
Das E-Book ist kein Printobjekt
Wie lassen sich diese Überlegungen nun auf das Medium E-Book übertragen? Grundlegend stellt Schwab klar, dass es sich beim E-Book um ein eigenständiges Medium handle, das, im Gegensatz zum gedruckten Buch, nicht über das visuelle Mittel der Doppelseite verfüge. Hier finde die Bewegung der Typografie im Raum anders statt und unterliege derzeit noch einer technischen Limitierung, die voraussichtlich in Zukunft überwunden werden könne. König betont, dass man sich von der Gestaltungsidee distanzieren müsse, aus dem E-Book ein Printobjekt zu machen. Auch den Begriff des Enhanced E-Book sieht Schwab kritisch, da gute E-Books von Beginn an digital gedacht werden müssten und nicht im Nachhinein ergänzt werden sollten. Letztendlich ginge es ums Erzählen. Hier biete das E-Book Möglichkeiten jenseits einer strikten Chronologie. Gleichzeitig bemerkt König, dass aus dem Kühlschrank auch keine Waschmaschine gemacht würde: Das Buch muss nicht zum E-Book gemacht werden. Trotzdem deckt dieses einen signifikanten Marktanteil ab, der Beachtung verlangt.
Standardisierung vs. Schönheit?
Standardisierung und Schönheitsgedanke widersprechen sich nicht, darüber sind sich die Podiumsgäste einig. Vielmehr bilden strukturgebende Maßnahmen einen hilfreichen Rahmen für Kreativität, so Deconinck. Die Standardisierung ermögliche zudem eine stabile Kalkulation, ergänzt König. Gleichzeitig würde deutlich, dass der Kunde für hochwertige Produkte auch bereit sei, mehr zu zahlen, stellen Deconinck und Schwab fest.
Die Abwägung von Standardisierung und Schönheit beinhaltet auch ökologische Faktoren. Viele Veredelungstechniken belasten die Umwelt. Aus diesem Grund verweigert sich König zum Beispiel den vor einigen Jahren in Mode gekommenen Plastikumschlägen. Schwab fügt hinzu, dass neben den Materialien auch logistische Aspekte in die Frage der Ökologie einbezogen werden müssen.
Zehn Jahres Prognose
Die Podiumsgäste werden eingeladen einen Blick in die Zukunft zu werfen. Welche Prognose stellen sie für schöne Bücher? König prognostiziert eine große Auswahl an schönen Büchern, die vom E-Book Markt ergänzt wird. Hierbei wird der Taschenbuch-Markt zurückgehen. Schwab vermutet eine dramatische Verbesserung der technischen Mittel des E-Book. Deconinck hingegen schätzt eine Prognose kritisch ein, da vor sieben Jahren das gedruckte Buch noch auf dem Abstellgleis gesehen wurde und jetzt der Markt stärker floriere als je zuvor.
Abschließend fragt Hehn nach einem Rat für die Verlagsmenschen von Morgen, die Studierenden, die sich in diesem mannigfaltigen Feld positionieren möchten. König fordert immer neugierig zu sein, etwas zu wagen und querzudenken. Deconinck bevorzugt den Allrounder, der breit aufgestellt ist und sich in seiner Berufslaufbahn spezialisiert. Schwab ruft dazu auf, die eigenen Talente zu entdecken und zu entwickeln und sich in die Themen zu stürzen, die einen begeistern.
Charlotte Hütten