Bereits zum vierten Mal tagte das Nachwuchsparlament auf den Buchtagen Berlin. 75 Auszubildende, Studenten, Volontäre und Berufseinsteiger nahmen vom 9. bis 10. Juni an dem Nachwuchsprogramm des Börsenvereins teil. „Wir sind EINE Branche – Miteinander reden, gemeinsam handeln“ lautete das Motto. Das Nachwuchsparlament beschloss eine Neuausrichtung der Veranstaltung, bei der sich der Nachwuchs aktiver einbringen und seine Relevanz für die Branche erhöhen möchte.
Alljährlich treffen sich Vertreter von Verlagen, Buchhandlungen und Barsortimenten zu den Buchtagen in Berlin. Der Fachkongress stand in diesem Jahr unter dem Motto „Im Sog der E-volution – Der Buchmarkt und seine Wertschöpfungsketten“. Auf dem Programm der Kongressteilnehmer fanden sich diverse Vorträge, die Bekanntgabe des Friedenspreisträgers sowie die Hauptversammlung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
Doch im Rahmen der Buchtage Berlin findet noch eine weitere Veranstaltung statt: das Nachwuchsparlament. Karin Schmidt-Friderichs, Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses des Börsenvereins, rief dieses Nachwuchsprogramm 2008 ins Leben. Seither lädt der Börsenverein auch den Branchennachwuchs zu den Buchtagen ein. Interessierte Auszubildende, Volontäre, Berufseinsteiger und Studenten buchnaher Studiengänge können sich um die Teilnahme bewerben. Zum Nachwuchsparlament 2011 kamen 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Wir sind EINE Branche – Miteinander reden, gemeinsam handeln
Den Auftakt des Nachwuchsprogramms machte eine Podiumsdiskussion zur spartenübergreifenden Kommunikation zwischen Buchhandel, Zwischenbuchhandel und Verlag. Es diskutierten Stefan Könemann (Barsortiment Könemann), Katharina Scholz (Kundenmanagerin Piper Verlag und Nachwuchssprecherin 2009–2010), Elisabeth Windfelder (Studentin Buchwissenschaft Johannes Gutenberg-Universität Mainz), Karin Schmidt-Friderichs (Verlag Hermann Schmidt und Vorsitzende des Berufsbildungsausschusses des Börsenvereins) und René Kohl (Buch- und Medienversand Kohlibri). Eröffnet wurde die Diskussionsrunde mit der Frage, ob wir denn überhaupt eine Branche sind. Stefan Könemann stellte fest, dass die Sparten entgegengesetzte Interessen haben. Dennoch herrsche in der Buchbranche eine „Kuschelkultur“; allerdings werde mit sinkendem Umsatz auch der Ton rauer werden. Der gemeinsame „Feind“ Digitalisierung könne die Sparten aber auch enger zusammenschweißen, so Karin Schmidt-Friderichs. Zur Nutzung der Kommunikationsmittel meinte Katharina Scholz, dass sich am besten an den Wünschen der Kunden zu orientieren sei. Kommunikation sei keine Frage von Technik und Quantität, sondern von Tonalität, stimmte Karin Schmidt-Friderichs zu. René Kohl betonte, dass gerade Newsletter nur dann beachtet würden, wenn der Buchhändler einen Marktvorteil davon habe.
Während die Kommunikation zwischen Publikum und Podium anfangs noch stockte, kam die Diskussion beim Thema der Bedeutung des Nachwuchses für die Branche in Schwung. Einige Stimmen aus dem Publikum beklagten, dass sich die Unternehmen kaum für die Ideen des Nachwuchses interessierten. Stefan Könemann empfahl den Teilnehmern, dranzubleiben und lauter zu werden. Damit dem Nachwuchs zugehört werde, müsse er auch etwas zu sagen haben, meinte Katharina Scholz.
Tony Stubenrauch ist das neue Gesicht des Nachwuchses
Nach der Podiumsdiskussion stand die Wahl des Nachwuchssprechers auf dem Programm. Alle zwei Jahre wählt das Nachwuchsparlament aus den eigenen Reihen einen Sprecher, der den Nachwuchs repräsentiert. In den vergangenen beiden Jahren bekleidete Katharina Scholz dieses Amt mit viel Engagement. Unter anderem nahm sie zweimal jährlich an den Sitzungen des Berufsbildungsausschusses des Börsenvereins teil. Nach dem Ausscheiden der Vorsitzenden des Ausschusses, Karin Schmidt-Friderichs, wird Katharina Scholz nun als ordentliches Mitglied nachrücken.
Um das Amt des neuen Nachwuchssprechers hatten sich fünf Kandidaten beworben: Michelle Jelting (Auszubildende Barsortiment Könemann), Stephan Kosa (Auszubildender Büchergilde), Katharina Kruppke (Auszubildende Klinski Buchhandlung), Tony Stubenrauch (Auszubildender Aufbau Verlag) und Elisabeth Windfelder (Studentin Johannes Gutenberg-Universität Mainz). In einer kurzen Vorstellungsrunde stellten die Kandidaten sich und ihr Wahlmotto vor. Die Wahl des Nachwuchsparlaments fiel auf Tony Stubenrauch. In den nächsten beiden Jahren wird der Auszubildende Medienkaufmann die Interessen des Branchennachwuchses vertreten, an den Sitzungen des Berufsbildungsausschusses teilnehmen und Ansprechpartner für den Nachwuchs sein. Seine erste Amtshandlung folgte bereits einen Tag nach seiner Wahl; in der Hauptversammlung des Börsenvereins präsentierte Tony Stubenrauch die Ergebnisse des Nachwuchsparlaments.
Neuausrichtung des Nachwuchsparlaments
So hat der Branchennachwuchs einige Beschlüsse zur Neuausrichtung des Nachwuchsprogramms der Buchtage getroffen. Zunächst soll die Bekanntheit des Nachwuchsparlaments erhöht werden, etwa durch eine eigene Facebook-Gruppe und jeweils einen Ansprechpartner für den Nachwuchs im Buchhandel, Zwischenbuchhandel, in den Verlagen und an den Hochschulen. Der Nachwuchs will zudem Arbeitsgemeinschaften zu den Themen E-Book, Social Media, Konzentrationsprozesse in der Buchbranche und Generationsmanagement gründen. Deren Ergebnisse sollen beim nächsten Nachwuchsparlament vorgestellt und diskutiert werden. Der Nachwuchs erhofft sich durch diese stärkere inhaltliche Ausrichtung, auch die Fachausschüsse und andere Kongressteilnehmer der Buchtage zur Teilnahme am Nachwuchsprogramm zu bewegen.
Kreativhaus und Kommunikation
Neben den Diskussionen und der Wahl des Nachwuchssprechers konnte der Nachwuchs an einer Exkursion zu einem Unternehmen der Buchbranche in Berlin teilnehmen. Zur Auswahl standen Hugendubel, der Aufbau Verlag oder der Eulenspiegel Verlag.
Die Exkursion zum Aufbau Verlag führte zum neuen Domizil des Verlages am Moritzplatz, einer ehemaligen Textilfabrik. Tony Stubenrauch und Aufbau-Vertriebsleiter Andreas Krauß stellten den Besuchern den Verlag und das Konzept des Aufbau Hauses vor. In dem Kreativhaus werden nach Beendigung der Umbauarbeiten unter anderem auch zwei Buchhandlungen, eine Kunstgalerie, ein Kindergarten sowie das TheaterAufbauKreuzberg Platz finden. Über den unerwarteten Erfolg der ungekürzten Neuausgabe von Hans Falladas „Jeder stirbt für sich allein“ berichtete die Lektorin Nele Holdack. Solch spannende Einblicke hinter die Kulissen eines renommierten Verlages waren auch für den Nachwuchs etwas Besonderes.
Weitere interessante Einblicke erwarteten die Teilnehmer des Nachwuchsprogramms in den drei Workshops am Freitag: von Empfehlungsmarketing, über Tipps zur Bewerbung bis hin zu PR für Buchhandel und Verlage.
Lesefest in der Kulturbrauerei
Im Rahmen der Buchtage Berlin findet alljährlich am Donnerstagabend die Große Berliner Büchernacht im Ortsteil Prenzlauer Berg statt. Veranstaltungsort ist die Kulturbrauerei, die neben viel Platz für Lesungen, Konzerte, Filmaufführungen und einen Büchermarkt auch die besondere Atmosphäre einer historischen Industrieanlage bietet.
Die Teilnehmer der Buchtage sowie die Besucher der Büchernacht erwartete 2011 wieder ein vielfältiges kulturelles Programm. Auf dem Mitgliederfest konnten sich die Teilnehmer des Fachkongresses und des Nachwuchsparlaments stärken und gemeinsam feiern. Gerade hier bot sich für den Nachwuchs die Gelegenheit, sich unter die „alten Hasen“ zu mischen und Kontakte zu knüpfen.
Nachwuchsparlament ergreift die Initiative
Das Nachwuchsparlament bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, an den Buchtagen Berlin teilzunehmen, Kontakte zu anderen jungen Menschen aus der Verlagsbranche zu knüpfen und einen eigenen Sprecher zu wählen. Bisher war es dennoch eine eher passive Veranstaltung. Das Nachwuchsparlament 2011 will jetzt aktiv werden, um von der Branche wahr- und ernst genommen zu werden. Ein Schritt in die richtige Richtung. Man darf gespannt sein, was der Nachwuchs bewegen wird.
Dominique Conrad