Seit fünf Jahren gibt es den Klett Kinderbuch Verlag in Leipzig – höchste Zeit, dass die Jungen Verlagsmenschen ihm einen Besuch abstatten. In einer alten, teilsanierten Villa im Leipziger Süden befinden sich die Räumlichkeiten, in denen die etwas anderen Kinderbücher gemacht werden. Wer Schulbücher erwartet, wird überrascht: Das Programm kommt mit frechen und bissigen Büchern für die Zielgruppe der Zwei- bis Elfjährigen daher, aber auch für deren erwachsene Vor- und Mitleser.
Begrüßt wurden wir von Monika Osberghaus, die, bevor sie Klett Kinderbuch ins Leben rief, als Journalistin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung arbeitete. Dort verfasste sie jahrelang Kritiken über Kinderbücher, was sie schließlich dazu bewegte, selbst ein Buch zu schreiben. Mit „Was soll ich denn lesen? 50 beste Kinderbücher“ gab sie einen Kanon heraus, der Klett zu der Bitte veranlasste, selbst einen Verlag mit einem eigenen, hochwertigen Programm zu leiten.
Sehr persönlich schilderte Frau Osberghaus ihre damalige Befürchtung, sie könne viele Fehler machen, weil sie nie eine Ausbildung in der Branche erhalten hatte. Doch war die Gelegenheit, eigene Ideen umzusetzen, viel zu verlockend und so stürzte sie sich in den Learning-by-Doing-Prozess.
Anhand vieler Beispiele erläuterte sie uns, worauf es bei einem Klett-Kinderbuch ankommt. So wird ein besonderer Fokus auf Geschichten gelegt, die vom Abenteuer Alltag geprägt sind. Besonders Vor- und Grundschulkindern sollen authentische Geschichten die Möglichkeit bieten, sich mit ihnen zu identifizieren. In „Alles Familie!“ beispielsweise werden verschiedene Familienformen, von der klassischen Bilderbuchfamilie, über die Patchworkfamilie und Adoptivfamilie abgebildet. So bietet das Buch nicht nur die Möglichkeit andere Familienmodelle kennenzulernen, sondern auch die, seine eigene Familie, gleich, welche Gestalt sie haben mag, als genau so „normal“ wie alle anderen zu sehen.
Der Wissensdurst und die Neugierde von Kindern an ihrer Umwelt werden ernst genommen und auch die Sachbücher bei Klett Kinderbuch sind nicht staubtrocken, sondern unkonventionell und spaßig. Als Beispiel hierfür kann „Die Bademattenrepublik“ dienen. Man nehme ein Territorium, entscheide sich für eine Staatsform … Eine praktische und kindgerechte Anleitung zum Staatsaufbau.
Weiterhin, es wurde schon angedeutet, handelt es sich bei den Titeln im Programm häufig um „härtere“ Kinderbücher. Sie haben Biss und sind kontrovers. Bestes Beispiel ist wohl „Alle Kinder. Ein ABC der Schadenfreude“, welches auch vor dem Thema Tod keinen Halt macht. Die beliebten und allseits bekannten Kinderreime á la „Alle Kinder spielen im Sandkasten, nur nicht Ulli, der spielt im Gulli“ kommen hier erstmals vom Schulhof in ein Bilderbuch.
Doch neben dem Anspruch außergewöhnliche, eben „antipädagogische“ Kinderbücher zu machen, sollen die Kinder vor allem – und ist das nicht am wichtigsten? – vergnüglich zum Lesen animiert werden. Uns hat es auf jeden Fall gepackt, die bebilderte Erzählstunde voller frecher Geschichten hätte noch lange so weitergehen können.
Conny Rädel
Christiane Geithner