Ursula Kirchenmayer gewann im Jahr 2012 mit ihrem Romanfragment „Unverhoffte Nähe“ den „You want to read-Wettbewerb“ der Jungen Verlagsmenschen. Nun fragen die Jungen Verlagsmenschen, wie die Rumäniendeutsche damals zu dem Wettbewerb kam, wie es ihr seitdem ergangen ist und nach ihren Plänen für die Zukunft. Außerdem gibt die Nachwuchsautorin den neuen Wettbewerbsteilnehmern des Write & Read-Nachwuchspreises der JVM auch einen kleinen Tipp.
MR: Wie bist du auf den „You want to read-Wettbewerb“ vor drei Jahren aufmerksam geworden?
UK: Die Ausschreibung ging durch den E-Mailverteiler am DLL (d.h. Deutsches Literaturinstitut Leipzig). Und nachdem ich „Verlass die Stadt“ der ersten Preisträgerin Christina Maria Landerl gelesen hatte und sehr mochte, war für mich klar, dass ich mich bewerben würde.
MR: Was war dein Motiv dich an dem Wettbewerb zu beteiligen?
UK: Wettbewerbe sind immer eine sehr gute Möglichkeit, sich und seine Texte etwas bekannter zu machen und den Weg zur ersten Veröffentlichung zu erleichtern. Man kann Kontakte knüpfen und in die Welt des Literaturbetriebs hineinschnuppern, die doch ein starker Gegenpol zur inneren, sehr beschützten Welt des Schreibens ist. Leider braucht man dieses auf Vermarktung und Verwertung ausgerichtete „Außen“, wenn man als Schriftsteller anerkannt werden will. Dabei sind die meisten Schriftsteller gar keine Rampensäue, sondern eher nachdenkliche, feinfühlige und zurückgezogene Menschen. Wettbewerbe bereiten einen Nachwuchsschriftsteller in gewisser Weise auf das vor, was kommen könnte, und man wird nachher nicht ins kalte Wasser geworfen.
MR: Welche äußeren bzw. inneren „Hürden“ musstest du dafür nehmen?
UK: Ich hatte ja vorher schon am MDR-Literaturwettbewerb teilgenommen und meine Texte in den DLL-Seminaren zur Diskussion freigegeben, daher hatte ich keine Angst davor, mit meinem Text nach außen zu gehen. Trotzdem habe ich mich riesig gefreut, als die Mail von den Jungen Verlagsmenschen kam. Aber als ich in Frankfurt aus dem Zug stieg, war ich schon sehr aufgeregt. Ich weiß noch, wie eine Taube mit Wucht gegen eine Glasfassade direkt über meinem Kopf prallte. Inzwischen glaube ich ja, so was bringt Glück. Auf dem Weg zu meiner Prenzlauer-Berg-Lesung letztes Jahr habe ich mir bei einem Sturz beide Hände aufgeschürft. In dem Moment wusste ich irgendwie, dass ich gewinnen würde.
MR: Kannst du anderen Nachwuchstalenten die Teilnahme am Wettbewerb empfehlen?
UK: Auf jeden Fall! Es war spannend, die Frankfurter Buchmesse mal „von innen“ zu erleben, außerdem hatte ich die Möglichkeit, meinen Text öffentlich zu präsentieren, und konnte ein paar wichtige Kontakte knüpfen. Ein paar kleine Verbesserungsvorschläge hätte ich schon, aber das sind Kleinigkeiten.
MR: Hast du es geschafft dein Romanfragment zu Ende zu führen?
UK: Ich habe ziemlich viel Zeit gebraucht, weil ich sehr lange nicht wusste, was ich eigentlich erzählen will. Ich hatte einfach zu viele Geschichten im Kopf. Ich musste mich also erst einmal auf eine davon konzentrieren und dann herausfinden, wie man das überhaupt macht, einen Roman zu schreiben. Vor ein paar Monaten habe ich jetzt endlich eine erste Fassung abgeschlossen, im Moment überarbeite ich sie gerade nochmal. Letztlich hat sich der Text in eine ganz andere Richtung bewegt – das Fragment, mit dem ich damals gewonnen habe, kommt gar nicht mehr darin vor.
MR: Was hat sich seit dieser Zeit bei dir alles getan (hinsichtlich des Schreibens, beruflich oder auch privat)?
UK: Ich habe weiter an Wettbewerben teilgenommen, zum Beispiel letztes Jahr am Literaturpreis Prenzlauer Berg. Zusammen mit Alina Herbing habe ich außerdem eine Podiumsdiskussion zu politischer Gegenwartsliteratur in der Volksbühne organisiert. Ansonsten war ich viel unterwegs, zum Beispiel in Kolumbien und auf Kuba. Gerade Kuba hat mich sehr fasziniert, vieles, was ich nur aus den Erzählungen meiner Eltern über Rumänien kannte, gibt es dort noch. In ein paar Tagen fliege ich wieder hin.
MR: Kannst du vom Schreiben leben bzw. glaubst du, dass dies irgendwann der Fall sein wird?
UK: Auf einer Podiumsdiskussion sagte eine Verlegerin unlängst, es sei doch heute nicht mehr zeitgemäß, einen Autor zu bezahlen. Niemand widersprach. Mich hat diese Aussage geärgert – denn so können es sich doch irgendwann nur noch die finanziell Privilegierten leisten, Romane zu schreiben. Aber wollen wir wirklich diese Literatur der Privilegierten lesen? Ich jedenfalls nicht. Ohne Preise, Stipendien und Lesungen kommt man als Autor leider kaum über die Runden. Ich bin da also ganz realistisch und arbeite daran, mir neben dem Schreiben andere Standbeine aufzubauen, als literarische Übersetzerin oder Veranstaltungsorganisatorin. Meine Miete finanziere ich durch Nebenjobs – zum Beispiel an der Garderobe im Theater. Das ist wahrscheinlich der beste Job für unterbezahlte Nachwuchsautoren wie mich – sobald die Vorstellung läuft, packe ich mein Notizbuch aus und schreibe. Und wenn es abklingelt, packe ich mein Notizbuch wieder ein, mache die Lichter an, lächele schön und gebe die Mäntel raus. Gelegentlich jobbe ich auch als Nachhilfelehrerin, Ghostwriterin oder Reiseleiterin. So sammele ich Erfahrungen, die mein Schreiben bereichern und vielleicht ein bisschen Welt in meine Texte bringen. Andererseits habe ich nie genug Zeit, um nur bei mir und meinen Texten zu sein. Einen Vollzeitjob kann ich mir genau deshalb nicht vorstellen – das Schreiben muss immer an erster Stelle bleiben.
MR: Was sind deine Zukunftspläne?
UK: Aus meinem Romanprojekt einen guten Roman zu machen. Und dann den zweiten Roman beenden. Da gibt es nämlich schon einen Anfang.
MR: Was ist dein Tipp für den zukünftigen Gewinner des Wettbewerbs?
UK: Schreiben, schreiben, schreiben! Und sich auf keinen Fall entmutigen lassen, wenn man mal eine Absage bekommt. Das gehört dazu, und ein zu gefälliger Text ist sowieso uninteressant. Außerdem machen die Absagen das Gewinnen doch viel schöner.
Wer keine Angst vor dem Gewinnen hat, der kann noch bis zum 15. September 2015 (Einsendeschluss) sein Buchexposé für einen noch unveröffentlichten Prosatext zum Thema „Freundschaft“ – plus Leseprobe (Länge: 15 – 25 Seiten, Formatierung: Times New Roman, Schriftgröße 12 Punkt, Seitenabstand jeweils 2 cm, 1,5 Zeilenabstand) per Mail an writeandread@jungeverlagsmenschen.de schicken!
Wer Fragen zum Interview oder zum Wettbewerb selbst hat, der darf sich gerne an Mareike Rinke (Volontärin Lektorat Prestel, Junior; www.xing.com/profile/Mareike_Rinke, www.facebook.com/mareike.rinke, www.twitter.com/MareikeRinke) wenden.