Julia Wolf ist Autorin von Romanen, Theaterstücken und Hörspielen. Die Jury der „Tage der deutschsprachigen Literatur“ – so heißt der Wettbewerb um den Bachmannpreis offiziell – macht sie in diesem Jahr zur 3sat-Preisträgerin.
Noch bevor am letzten Sonntag in Klagenfurt feststand, dass Julia Wolf für ihren Auszug aus dem Roman „Walter Nowak bleibt liegen“ ausgezeichnet werden würde, habe ich mit ihr über ihre Erfahrungen beim Bachmannpreis und ihren Schreibprozess gesprochen.
Wie war deine Haltung gegenüber dem Bachmannpreis im Vorfeld? Hat sie sich dadurch verändert, dass du das Ganze hier vor Ort erlebst?
Ich habe mir vorher vorgenommen, nicht zu respektvoll zu sein, mich nicht verrückt machen zu lassen von dem ganzen Zirkus und einfach zu meinem Text zu stehen.
Jetzt finde ich die Atmosphäre hier sehr angenehm – sowohl unter den Autoren als auch unter den anderen Leuten. Ich weiß nicht, ob ich das so erwartet hatte, auch wenn mir vorher alle erzählt haben, dass es hier sehr schön ist. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass ich eine gute Jurybesprechung hatte und dann ist man automatisch entspannter.
War es schwierig, dich der direkten Kritik auszusetzen? Also eine halbe Stunde da zu sitzen, dir die Bewertung anzuhören, dich nicht zu rechtfertigen und Dinge gesagt zu bekommen, die du so vielleicht selbst nicht in deinem Text gesehen hast?
Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, mich nicht zu rechtfertigen, egal was kommt – ich wollte nichts dazu sagen. Mir war ganz wichtig, eine gute Lesung zu machen. Dann kam die positive Kritik von Sandra Kegel als erster Wortbeitrag. Das war eine große Erleichterung, weil ich das Gefühl hatte, dass die Lesung gut lief und erst einmal etwas Positives im Raum steht. Und dann ist auch noch so viel Adrenalin im Körper, da hat man eine komische Wahrnehmung. Man sieht sich ja auch selbst auf dem Screen, wenn man da vorne sitzt. Das war mir vorher nicht klar. Als ich beim Lesen das erste Mal hochgeguckt und mich selbst angeschaut habe, hab ich mich erschreckt.
In deinem Wettbewerbstext verwendest du eine besondere Satzstruktur, ähnlich wie in deinem ersten Roman „Alles ist jetzt“. Welche Bedeutung hat Interpunktion für dich und deine Texte?
Rhythmus spielt für mich beim Schreiben eine ganz große Rolle. Die Sätze strukturieren sich einfach viel über den Rhythmus. Da ist Interpunktion natürlich wichtig, um den Rhythmus zu markieren.
Bisher waren Frauenfiguren immer Mittelpunkt deiner Texte. Du hast für deinen Wettbewerbsbeitrag einen männlichen Protagonisten gewählt – warum?
Es ist tatsächlich das allererste Mal, dass es ein Mann ist. Das hat sich so aus der Arbeit am ersten Buch entwickelt. Es gibt im ersten Roman diese Vaterfigur und noch eine weitere wichtige männliche Figur – den Senfgelben. Während des Schreibens habe ich schon gedacht, diese Männerfiguren sind so unzugänglich und solche Klötze, dass ich als nächstes etwas mit einer solchen Figur machen möchte.
Mein erster Roman war der Anfang einer Trilogie, zu der im nächsten Frühjahr mein zweites Buch dazu kommt und irgendwann auch ein drittes. Aber es sind eben Motive, die diese Bücher verbinden, es sind nicht die gleichen Figuren.
Eignen sich deine Texte besonders gut zum Vortrag, wie es in der Jurydiskussion anklang, oder kann man sie durchaus auch in der stillen Lektüre gut erfassen?
Die Einschätzung der Jury dazu teile ich nicht. Ich habe auch andere Erfahrungen gemacht. Meine Lektorin, mein Verleger und alle, die den Text nur für sich gelesen haben, sagten, dass das gesamte Manuskript einen Sog entwickelt, wenn man es liest. Ich glaube, das ist dann vielleicht auch Geschmackssache. Ich denke also nicht, dass der Text nur vorgetragen funktioniert. Ich würde ihn aber wahnsinnig gerne als Hörspiel inszenieren. Er eignet sich einfach sehr gut dazu.
Die Zeitung „Die Presse“ schreibt, dein Text sei „perfekt durchgestylt“, „wie aus dem Musterkatalog des Literaturinstituts Leipzig“. Wie sieht dein Schreibprozess tatsächlich aus? Wie viel Wert legst du auf technisch sauberes Schreiben?
„Durchgestylt“ hat ja eine total negative Konnotation in diesem Zusammenhang, aber es stimmt, dass ich lange an Sätzen feile, sie ausarbeite und überarbeite. Ich kann auch nichts Schlimmes daran finden. Das ist einfach meine Arbeitsweise.
Lisa-Marie George (Universität Duisburg-Essen, Germanistik)