Am Mittwochabend wurde der ‚heurige Bewerb‘ um den Bachmannpreis im Klagenfurter ORF Theater eröffnet. In diesem Jahr häufen sich die Jubiläen um die Tage der deutschsprachigen Literatur: 90 Jahre Ingeborg Bachmann, 40 Jahre Bachmannpreis, 20 Jahre Klagenfurter Literaturkurs. Klar, dass ein besonderer Redner für die Klagenfurter Rede zur Literatur, die den Wettbewerb traditionell einleitet, gesucht und gefunden werden musste. Burkhard Spinnen, der bis 2014 als Juryvorsitzender fungierte, gibt also unter dem vielsagenden Titel „Mythos, Schmerz, Erfolg und Amt“ einen umfangreichen Einblick in Fluch und Segen seiner Amtszeit. Anschließend erleben wir live im Studio, wie er zum Ehrenbürger von Klagenfurt wird und sich in das goldene Buch – es ist wirklich golden und sehr, sehr groß – der Stadt einträgt. Wie es große Jubiläen vorgeben, dauert der Festakt eine ganze Weile und so stürzen wir uns dann bald auf die Kärntner Käsnudeln, die im Garten auf uns warten.
Überraschenderweise steht am nächsten Morgen bereits eine halbe Stunde vor Lesungsbeginn eine viel zu lange Schlange vor der Tür des Fernsehstudios. Alle wollen die viel beschriebene österreichische Autorin Stefanie Sargnagel hören. Wir verziehen uns in den Garten und verfolgen von dort auf großen Bildschirmen ihre Lesung. Die ist dann auch wirklich toll, oder, um es mit Klaus Kastberger zu sagen: „Der Text ist urgut!“ Solch positive Kritik erfährt der zweite Autor an diesem Vormittag nicht. Die Erzählung von Sascha Macht ist eine Campusdystopie, „opulent wie ein Barockbild“ (Juri Steiner), aber gleichzeitig wie ein „Bagger, der einen Haufen von Bedeutung nur aufwirft, um am Ende darin steckenzubleiben“ (Klaus Kastberger). Marko Dinić hingegen hat eine Coming-of-Age-Geschichte nach Klagenfurt mitgebracht, die er ein wenig überbetont (er hat vorher mit einer Theaterregisseurin trainiert) und mit kleinen Gesangseinlagen vorträgt. Dieser dritte und letzte Beitrag des Vormittags kommt bei der Jury gut an, im Garten erntet er hingegen nur wenig Applaus.
Die zwei Nachmittagslesungen von Bastian Schneider und Selim Özdogan sehen wir uns beim legendären Public Viewing am Lendhafen an. Im Bachmann-Liegestuhl wird uns einmal wieder bewusst, warum der Bachmannpreis für viele wie ein Literatur-Urlaub ist: Abhängen, Eistee trinken, Zuhören und Mitlesen, denn die Texte werden zu jeder Lesung im Eiltempo vom nahegelegenen Fernsehstudio zum Lendhafen gebracht. Bastian Schneider ist in Klagenfurt bereits bekannt. 2013 hatte er am Klagenfurter Literaturkurs („Häschenkurs“) teilgenommen. 2016 liefert mit seinen „Stücken“ eine Textgattung, die es bisher beim Bachmannpreis noch nicht gab. Seine Kurzprosa wird kontrovers von der Jury diskutiert – den „literarischen Stillleben“ (Sandra Kegel) fehlt jedoch leider der Zusammenhang (Hubert Winkels). Der letzte Beitrag des ersten Lesetages dreht sich um einen eingebildeten Hasen und erinnert nicht selten an ein allseits bekanntes Känguru.
Der Empfang der Bürgermeisterin am Abend findet wie immer am malerischen Maria Loretto Schlösschen statt. Scheinbar abgestimmt auf den ersten Wettbewerbsbeitrag des Tages, genießen wir „Penne vom Kika“ und erwarten gespannt den nächsten Lesetag.
Lisa-Marie George (@likkeliz) und Katharina Graef (@katharinaluiseg) (Universität Duisburg-Essen, Germanistik)
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