Ich hatte nie geplant, in einem Verlag zu arbeiten. Gewünscht hatte ich mir eigentlich immer, in einer Kulturinstitution wie dem Goethe Institut oder in einem Museum zu landen.
Während meines Masterstudiengangs an der Université Paris XII habe ich mich deswegen bei unterschiedlichen deutschen und europäischen Organisationen für mein Abschlusspraktikum beworben. Leider jedoch ohne Erfolg. Durch einen Zufall hat mich eine Freundin auf eine Anzeige von Editions du Chêne – Hachette Livre, Paris hingewiesen. Die Foreign Rights Abteilung suchte einen Praktikanten, der Messen organisiert, Termine koordiniert und bei der Produktion internationaler Koproduktionen assistiert. Vorraussetzung waren mindestens zwei Fremdsprachen und Spaß an der Mitarbeit in einem internationalen Team. Das klang eigentlich ganz spannend und auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal genau wusste, was ein Foreign Rights Manager überhaupt ist, schickte ich dem Verlag meine Bewerbung und vergaß die ganze Sache ehrlich gesagt auch schon wieder.
Drei Wochen später bekam ich jedoch einen Anruf von einer unglaublich netten jungen Frau, die mich gleich bat, sie Béa zu nennen. Sie und ihre Chefin arbeiteten bei Editions du Chêne und hatten meine Bewerbung gelesen. Sie schlug mir vor, sofort bei ihnen vorbeizukommen. Ehe ich mich versah, stand ich das erste Mal vor dem Gebäude von Hachette Livre. Ein unglaublich einschüchtender Anblick!
Hachette Livre ist eines der größten Verlagshäuser der Welt und ich war nicht darauf vorbereitet, so ein spannendes Gespräch zu führen und die Chance zu bekommen, in einem Konzern zu arbeiten. Nicht nur bemerkte ich, als ich in der Eingangshalle stand, dass ich völlig „underdressed“ war, ich musste zudem meinen Personalausweis abgeben, wurde von oben bis unten durchsucht und musste meine Kontaktdaten hinterlassen. Dafür war die Begrüßung durch Béa gleich umso freundlicher – sie kochte den besten französischen Kaffee, hatte sogar Schokolade für unser Gespräch besorgt, und wir verstanden uns vom ersten Moment.
Es stellte sich heraus, dass ihre Chefin, Sherri, Kanadierin war, und die beiden unbedingt eine Ausländerin in ihrem Team wollten. Sie erklärte mir die Aufgaben, die ich haben würde und ließ eigentlich keinen Zweifel daran, dass ich den Job hatte: Ich sollte Bild- und Künstlerrechte klären, ihr bei den Koproduktionen helfen und zusammen mit Sherri alle Reisen und Messeauftritte organisieren. Die einzige Bedingung: Ich sollte sofort anfangen.
So fand ich mich also vier Tage später – in einem neuen Hosenanzug – an der Seite von Sherri und Béa wieder. Die ersten Tage waren furchtbar: Ich lernte sehr schnell, dass mein Französisch noch lange nicht ausreichte, um sicher und selbstbewusst vor meinen neuen Kollegen aufzutreten. Noch dazu wusste ich doch ohnehin nicht so genau, was ich eigentlich zu tun hatte. Das erste Mal bemerkte ich, wie sehr ich meine Muttersprache vermisste. Ich konnte keine Witze machen, die Situation in kritischen Gesprächen mit Autoren am Telefon nicht entschärfen, und ich musste mich an die französischen Gepflogenheiten des Mittagessens gewöhnen. Dazu gehörte für viele meiner Kollegen zum Beispiel, bereits um 13 Uhr zwei Gläser Wein zu trinken. Wie sollte man hinterher noch arbeiten? Kurzum, ich wurde ins kalte Wasser geschmissen und musste schwimmen.
Die ersten beiden Monate waren schwer, denn es gab so unglaublich viel zu lernen. Eigentlich musste ich mir alles von Grund auf erarbeiten – ich kannte weder die französische Verlagslandschaft noch die einzelnen Abteilungen oder die Abläufe. Aber das Verlagswesen begann mich zu interessieren und zu fesseln. Béa überließ mir schon nach wenigen Wochen sehr viel Verantwortung und ich bekam eigene Projekte. Nach wenigen Monaten leitete ich selbstständig fünf Koproduktionen gleichzeitig und bereitete mit Sherri zusammen Vertretertagungen und Messen vor. Zudem wurden wir Freunde und es war schön, das ein oder andere Mal mit den beiden abends essen zu gehen und ihre Familien kennen zu lernen.
Ab gesehen davon sollte nicht vergessen werden, dass Paris eine wahnsinnig schöne Stadt ist, in der es sich sicherlich teuer, aber gut leben lässt: Die Abende im Sommer sind hinreißend, besonders an der Seine. Allerdings sollte man sich das Bier lieber bei „Carrefour“ kaufen und es dann mitnehmen. Hervorzuheben ist auch meine Lieblingsbäckerei „La Baguette“ in der rue Jean Nicot. Hier gibt es die besten Schokocroissants, die ich je gegessen habe.
Insgesamt lohnt sich ein Praktikum im Ausland auf jeden Fall. Man verbessert nicht nur seine Sprachkenntnisse und seine interkulturellen Kompetenzen, es ist vor allem eine ganz persönliche Herausforderung, denn man wird nicht zuletzt sich selbst besser kennen lernen.
Habt ihr Fragen zu einem Praktikum in Paris? Oder habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Ich freue mich auf eure E-Mails und Kommentare.
Julia Strysio