Ich war bisher noch nie auf einer Buchmesse und ich hatte noch keinen Kontakt mit finnischer Literatur. Eigentlich gute Voraussetzungen für eine unvoreingenommene Berichterstattung. Trotzdem sind sie da. Diese klischeehaften Gedanken bevor ich das Forum 1 betrete, in dessen Räumlichkeiten sich traditionell der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse präsentiert.
Finnland. Kälte. Schnee. Dunkelheit. Sauna. Elche.
Natürlich werde ich in meinen Erwartungen völlig überrascht. Ein kühles weiß-bläuliches Licht erfüllt den Raum, der durch mehrere kreisförmige Stoffbahnen in begehbare Zylinder unterteilt ist. Sie hängen von der Decke, knapp über dem Boden und scheinen dadurch zu schweben. Ein Projektor wirft Schemen von Blumen oder Blättern in Eisblau auf die einzelnen Stoffbahnen.
Die insgesamt sechs Zylinder im Raum bieten unterschiedliche Möglichkeiten, mit den
großen Autoren der finnischen Literatur in Berührung zu kommen. Sei es durch eine Kaminecke im Kinderbuchbereich, die der Geschichte „Hämäräkirja“ von Hannele Mikaela Taivassalo nachempfunden ist, oder durch einen Aufenthalt in der kreisförmigen Lesekoje, an deren Seiten Bücherregale befestigt sind. In zwei Zylindern befinden sich Bühnen, auf denen Autoren, wie beispielsweise Moses Mentula aus ihrem Roman „Nordlicht – Südlicht“, lesen.
Das weiße Finnland
Die drei Masterstudenten des Studiengangs Raum- und Möbeldesign der Aalto-Universität Helsinki haben mit ihrem Raumkonzept beeindruckende Arbeit geleistet. Sie verbinden die finnische Winterlandschaft mit der Stille, Gelassenheit und Echtheit des Landes und erfüllen damit meine Erwartungen an die Präsentation des Ehrengastes in einer völlig unerwarteten und positiven Weise.
Neben dem aussagekräftigen Pavillon-Design des Gastlandes, sorgt der Zylinder „Brain-Poetry“ für Aufmerksamkeit. Vor dem kleinen Eingang des weißen Rondells warten bereits viele Besucher, um sich von der neuen Technologie ein Gedicht ausspucken zu lassen, das auf den eigenen Gehirnwellen basiert und per Beamer an die Innenseite der Stoffbahn projiziert wird. Ein weiteres Highlight bildet der Pavillon, in dem die Besucher sich per Stift und Papier ein ganzes Romankapitel, natürlich auf Finnisch, abpausen können.
Der Gast aus dem kalten Norden ist aber nicht nur im Forum 1 vertreten. Mit seinen rund
60 finnischen Autoren sowie etwa 30 Literaturagenten hinterließ Finnland überall auf der Buchmesse seine Spuren. Beispielsweise durch den Mumin-Bus im Agora Forum oder in Halle 3 durch Kinderbuchautoren wie Timo Parvela. Und so konnte man beim Besuch der diesjährigen Buchmesse gar nicht anders, als bereits legendäre und aktuelle Autoren des Landes mindestens zu streifen und Namen wie Sofi Oskanen, Tumoas Kyrö oder Katja Kettu mit nach Hause zu nehmen.
Somit ist meine Leseliste für die kalte Jahreszeit vor allem eines: Lang und finnisch.
Stefanie Schweizer