von Stefan Katzenbach

Die Welt kämpft derzeit mit verschiedenen Krisen. Wie man dafür einen Umgang finden kann, das wurde in einem Diskussionspapier „Auf dem Weg zu einer Neuen Aufklärung – Ein Plädoyer für zukunftsorientierte Geisteswissenschaften“ des „New Institute“, das Zukunftsentwürfe für gesellschaftliches Zusammenleben entwirft, am Buchmessendonnerstag diskutiert. 

Ukraine-Krieg, der Überfall der Hamas auf Gaza, Klimawandel. Die Krisen der Welt scheinen aktuell vielfältig und Fragen, wie man darauf reagieren kann, allgegenwärtig. Für Markus Gabriel, Philosoph und Akademischer Direktor des New Institute, steht zunächst die Perspektive im Vordergrund. Sind es mehrere Krisen oder eine große Megakrise oder verschiedene Krisen mit unterschiedlichen Ausmaßen? „Wir sehen eine Krise mit der anderen verbunden. Die Ukraine-Krise ist beispielsweise mit dem Klimawandel verbunden. Der Krieg hat ökologische Kosten“, so Gabriel. 

Und die Situation in der Ukraine sei wiederum mit der Energiekrise verbunden. So entstehe ein komplexes System. Das versuchen Gabriel und sein Kollege Andrej Zwitter (Chair for the program Conceptions of Human Flourishing) in ihrem Diskussionspapier „Auf dem Weg zu einer Neuen Aufklärung – Ein Plädoyer für zukunftsorientierte Geisteswissenschaften“ zu konzeptualisieren und dafür Lösungen zu finden. 

Eine Frage des Zusammenlebens

Welche Dimension das hat, verdeutlichte Zwitter: „Wenn wir alle Krisen zusammennehmen und multiplizieren, dann landen wir in der Verdammung“. 

Für Moderator Gerd Scobel war die thematisierte Frage nach der Reaktion auf Krisen vor allem eine danach, wie Menschen zusammenleben wollen: 

„Wie wollen wir zusammenleben? Das wurde bisher nicht diskutiert. Das muss man global denken.“ 

Das Konzept der verbundenen Krisen sei nichts neues, ökologische Systeme bspw. seien komplex. Die Thematik werde aber zum ersten Mal behandelt als zusammenhängendes Problem. Laut Scobel brauche es eine nachhaltige Lösung existenzieller, aber komplexer Probleme. 

Sie dürften nicht nur für kurze Zeit gelöst werden: 

„Wenn sich der Umgang mit existenziellen Krisen jede Legislaturperiode ändert, dann haben wir ein Problem. Wir brauchen eine Regierung, die kreativ ist und kurzfristig handelt, gleichzeitig aber langfristig denkt.“ 

Auch das sei Teil einer neuen Aufklärung. 

Die Lösungen den Problemen anpassen und „Lesekompetenzen“ entwickeln

Markus Gabriel sieht individuelle Lösungen für die Probleme als geeigneten Weg, unterschiedliche Probleme erforderten unterschiedliche Lösungen. Er wehrte sich dagegen, scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme zu finden, wie es beispielsweise bei der „Zeitenwende“ suggeriert wurde: 

„Lösungen müssen so komplex sein, wie das Ziel, das sie erreichen sollen. Wir müssen die Komplexität erhöhen.“ 

Die Geisteswissenschaften könnten einen Beitrag dazu leisten, indem sie die Sensibilität dafür erhöhten, dass man nicht immer mit Geschwindigkeit an Probleme herangehen müsse. 

Dafür müsse man verstehen, wie bestimmte gesellschaftliche Erzählungen funktionierten und wie sie mit anderen Erzählungen verbunden seien. Diese „Lesekompetenzen“ gelte es zu schulen, um Zusammenhänge zu entwickeln und Lösungsansätze zu finden.