von Stefan Katzenbach
Die Literaturwissenschaftler Heinz Drügh und Moritz Baßler haben ein neues Buch geschrieben: „Gegenwartsästhetik“. Mit Sandra Kegel, der Leiterin des F.A.Z.-Feuilleton sprach Heinz Drügh über die Arbeitsweise am Buch, Geschmacksurteile im Beruf und den Begriff Äst-Ethik.
Schreiben ist kein einsames Gewerbe. Jedenfalls nicht für Heinz Drügh und Moritz Baßler, die schon mehrere Bücher zusammen verfasst haben. Wie war das bei „Gegenwartsästhetik“ wollte Moderatorin Sandra Kegel zunächst wissen. „Wir schreiben seit einiger Zeit zusammen, das klappt super, wir schicken uns ganz oldschool Dateien hin und her“, so Drügh. In ihrem Buch verfolgen die beiden die Spur des Ästhetischen in Phänomenen der Gegenwart.
Sie ist nämlich keineswegs auf die Kunst beschränkt: „Ästhetik geht über das Kunstwerk hinaus, sie gibt es nur mit Überfluss, ist eine Art von Luxus“, so Drügh. Diese These gehe auf Kunst-Diskurse des 18. Jhs. zurück. Die Verbindung von Ästhetik und Ökonomie, bzw. alltäglichen Dingen stört die beiden Autoren dabei nicht. Die „Kulturkritische Routine der Verfluchung“, sobald Ästhetik aus der Sphäre der Kunst entfernt würde, sei „unterkomplex“, ist Heinz Drügh überzeugt. Das zeigen beide im Buch am Beispiel Quentin Tarantinos. Dieser gelte als „unterkomplex und überholt“. Schaue man sich dann aber beispielsweise seinen Film „Once upon a time in Hollywood“ genauer an, werde klar, dass es so einfach nicht ist. „Tarantino setzt sich ästhetisch interessant mit Me too auseinander”, sagte Heinz Drügh. Diese Art der Arbeit ist für den Frankfurter Literaturwissenschaftler und seinen Kollegen aus Münster charakteristisch: „Was wir tun, tun die meisten Ästhetiker. Wir suchen die, die man zum Sprechen bringen muss.“ Neben Quentin Tarantino seien das auch Leif Randt und Joshua Groß, generell all diejenigen, „wo wir glauben, dass der Diskurs fehlt“.
„Ästhetische Leidenschaft“ für Literatur und Film vermitteln
Diskurse vermeiden, dass will Drügh eben nicht. Bestimmte Autor:innen, wie unlängst David Forster Wallace, dem frauenfeindliche Einstellungen vorgeworfen werden, aufgrund eigener politischer oder persönlicher Einstellungen nicht zu lesen, ist für ihn beruflich auch keine Option. „Als Privatmann mache ich das dauernd, beruflich taugt das nichts, man muss auf die Sache selber gucken und nicht sagen ‚Das gucke ich nicht an.‘“ Für den Umgang mit Literatur wünscht er sich von seinen Student:innen „ästhetische Leidenschaft“, sie sollten Urteilskategorien entwickeln, auch bei Büchern oder Filmen, die auf den ersten Blick rein populär erscheinen. In Ihrem Buch haben Baßler und Drügh den Begriff Äst-Ethik entwickelt, als eine Art „Ästhetische Sensibilität als Komplexität des Urteilens und Fühlens für ethisch-politische Gemengelagen“, die den demokratischen Austausch ermöglicht.