Anja Drews befindet sich gerade mit ihren Kommilitonen bei den Bachmann-Tagen in Klagenfurt, umringt von erfolgsversprechenden Autorentalenten und fragt sich, ob es bald wohl eines Gesellenbriefes bedarf, um sich als Autor zu qualifizieren.
Wenn ein System in Deutschland immer wieder Lob und Anerkennung findet, dann ist es die klassische Ausbildung: drei Jahre Theorie und Praxis, die auf die Berufswelt vorbereiten.
Während in der Vergangenheit diese jedoch meist von angehenden Handwerkern und Kaufleuten absolviert wurde, so muss sich wohl die Industrie – und Handelskammer bald auch mit „solide ausgebildeten Autoren“, wie sie aus Hildesheim und Leipzig kommen, auseinandersetzen.
Erstes Lehrjahr: Das Schreiben von Kurzgeschichten, gelernt bei Professor so und so, von ihm bewertet und für den literarischen Markt für gut gefunden.
Zweites Lehrjahr: Ein bisschen Marketing darf auch nicht fehlen, denn auch das richtige Präsentieren und Verhandeln sollte gelernt sein, wenn der Lebensunterhalt mit vermeindlicher Kreativität bestritten werden soll.
Drittes Lehrjahr: Bereit für den eigenenen Roman ist man vielleicht noch nicht, aber die Recherche dazu kann ja schon einmal trainiert werden. Denn das, was die Leser hören wollen, ist keine nett ausgedachte Fiktion, sondern knallharte Realität, in die auch mal gerne die schlechte Kindheit des Autors verwurstet werden darf. Und damit aus einem auch mal was wird, ist die Lektüre von Angela Leinens Buch „Wie man den Bachmannpreis gewinnt“ Pflicht.
Zugegeben, dieser hier entworfene Lehrplan mag nicht ganz der Realität entsprechen, die an diesen renommierten „Schreibschulen“ herrscht, doch wenn man die Existenz dieser Studiengänge an sich mit den in Klagenfurt gemachten Beobachtungen in Verbindung bringt, liegt die Vermutung nahe, dass „Lainschriftsteller“ in der Literatur nun nicht mehr gefragt sind.
Eine gute Ausbildung wird verlangt, um Verlegern und Lektoren ein Lächeln zu entlocken – und während angesehene Autoren Probleme haben, ihre Bücher zu veröffentlichen, so werden die jungen, solide ausgebildeten Schriftsteller bereits während ihres Studiums belagert . Wie auch in Industrie und Handwerk oft bemängelt, so zählt wohl bald auch in der Literatur der Gesellen- oder Meisterbrief mehr, als literarisches Können.
Anja Drews