Nicolai Eckerlein

© Nicolai Eckerlein

Nicolai Eckerlein (Carlsen Verlag) war auch dieses Jahr wieder für die JVM als Messereporter auf der Leipziger Buchmesse unterwegs und hat auf dem Karrieretag den Diskutanten auf dem Podium etwas genauer zugehört.
Es ist einiges in Bewegung in Punkto Digitalisierung. Von Investitionen im sechsstelligen Bereich wird hier gesprochen. Denn die Entwicklung neuer Geschäftsfelder fußt auch 2012 noch auf dem Fundament guter Innovation: Testen, Testen, Testen.
Doch wer sind eigentlich die Mitarbeiter die an den Innovationen arbeiten und die Buchbranche wachrütteln, die von vielen immer noch als alt und verstaubt wahrgenommen wird?

Quergedacht – Karrieremöglichkeiten jenseits klassischer Verlagsprofile

Gesprächsteilnehmer:
Miriam Hofheinz (Bookwire), Ina Fuchshuber (neobooks),
Christian Damke (Skoobe),
Joachim Kaufmann (Carlsen Verlag)

Zum einen sind es die Menschen, die seit jeher Bücher machen – auch auf dem Podium oft mit klassischer Verlagsausbildung – die sich intern weiterentwickeln und den digitalen Themen zuwenden. Doch verheißt die Umbruchsphase nicht nur in den kleinen Hinterhofstartups gute Chancen für Branchenfremde und Quereinsteiger. Auch einige Programmieren wechseln aus den Entwicklungsagenturen und Softwarehäusern in die Verlage. Doch gerade Menschen aus der IT-Branche zum Wechsel in die Buchbranche zu bewegen stellt diese vor einige – kommunikative wie monetäre – Herausforderungen.

Welche konkreten Anforderungen stellt die Branche an ihre neuen Mitstreiter aus der IT-Branche?

Auch wenn IT-Kenntnisse und Lust auf neue Medien hinzugekommen sind, sind die Erwartungen der Podiumsteilnehmer doch recht traditionell: Praxiserfahrung an erster Stelle, gerne auch in verlagsnahen Branchen, Teamfähigkeit, wirtschaftliches Gespür, Begeisterungs- aber auch Leidensfähigkeit, Networking Skills und die an dieser Stelle oft und gerne strapazierte Flexibilität.
Auch wenn in der Runde immer wieder von unbefristeten Stellen gesprochen wird, ist man sich ebenso einig, dass die Tendenz zur Projektarbeit unbestritten ist. Und zu guter Letzt erklingt dann noch eine wohlwollende Ermahnung aus der Runde: „Gute Arbeitskraft darf man sich auch bezahlen lassen.“
Verlegen im digitalen Zeitalter? – Hat klassisches Verlegen noch eine Chance?

Gesprächsteilnehmer:
Klaus Kluge (Verlagsgruppe Lübbe),
Markus Klose (Hoffmann und Campe Verlag), Kirsten Steffen (Bommersheim Consulting), Ina Fuchshuber (neobooks)

In der Einführung der zweiten Veranstaltung hebt der Moderator auf das Damokles-Schwert Amazon ab, die mit ihren Verlagsaktivitäten und dem neu eröffneten Ladengeschäft in Seattle Buchhandel wie Sortiment vor neue Herausforderungen stellen. Auch der andere große Player Apple bewegt sich mit der Veröffentlichung des iBooks Author auf klassisches Verlagsterrain. Das scheint jedoch die Teilnehmer des Podiums wenig zu beunruhigen. Verlage werden immer exklusive Contentlieferanten bleiben, es gälte jetzt Wege für Kooperationen zu finden, die für beide Seiten eine Bereicherung bedeuten.

Das nächste Thema der Runde ist Selfpublishing. Während die einen der Entwicklung gelassen entgegen sehen, fürchten die anderen den Druck auf die Margen seitens der Autoren und die daraus entstehende Frage, ob man das knappe Budget besser in die Bücher oder in die Autoren investieren solle.
Auch die Verbindungen zwischen Selfpublishing-Szene und Verlag scheinen vielfältiger zu werden. Galt bisher die Regel, dass sich Selfpublishing Stars spätestens für das zweite Buch an einen Verlag wenden, so findet man inzwischen gerade in den Bioraphien amerikanischer Autoren einen regen Wechsel zwischen Selfpublishing und Verlag.
Vor allem der Wechsel etablierter Autoren zur Selbstvermarktung wird vom Podium wenn nicht als bedrohlich, so doch zumindest als unangenehm eingeschätzt, während die zusätzlich Vorauswahl durch die Selfpublishing-Plattformen als Serviceleistung goutiert wird. Das Scannen von ebendiesen Websites hat seine Aufnahme in das Jobprofil Lektor/in auf jeden Fall gefunden.
Die Legitimation der Verlage als Institution steht in den Diskussionen ebenfalls auf dem Prüfstand und man tauscht bekannte Argumente aus. Verlage bieten in der Masse des Contents eine Sortierfunktion und eine Qualitätskontrolle – interessanterweise mag das vielstrapazierte Wort Gatekeeper niemand in den Mund nehmen, dieses Etikett haftet man wohl eher Apple und Amazon an – mit eher negativer Konnotation.

Ob Verlagsmarketing für die Wahrnehmbarkeit im Handel wichtiger ist oder doch Social Media-Aktivitäten des Autors, ob das Feedback der Selfpublisher-Community die Arbeit eines Lektoren ersetzten kann – hier sind die Diskutanten geteilter Meinung.
In Punkto Vorschuss und geteiltes Risiko geht der Punkt ganz klar an die Verlage.

Durch das Einsteigen der großen Player hat sich laut Frau Fuchshuber im Selfpublishing viel verändert. Auch auf der von Droemer-Knaur betriebenen Plattform Neobooks tummeln sich jetzt durchaus auch etablierte Autoren, die unter Pseudonym neuer Genre und Formen ausprobieren können – und mit dem Titel „Deine Seele“ wechselt schon der 2. Ebook-Besteller ins Print-Programm des Verlages.

Danach legt die Runde noch einmal ihr Ohr auf die Veränderungen in den Verlagshäusern: Mit der Weiterentwicklung des Themas Digitalisierung wird aus dem reinen Herstellthema ein Diskussionspunkt für den gesamten Verlag. In den Häusern entstehen vielfach Digitale Units, die sich um die Produktion der digitalen Inhalte kümmern. Auch nimmt das abteilungsübergreifende Arbeiten in kleinen Teams zu und ein Generationenwechsel wird spürbar, dadurch dass mit den neuen Themen viele junge Mitarbeiter in die Unternehmen strömen.

Neben neue Autoren z.B. aus dem Drehbuch-Bereich – die oft die gesamten Rechte ohne ein Wimpernzucken an den Verlag veräußern – bereichert in Buchform gebrachter User Generated Content aus Blogs und Web-Communitys das Verlagsprogramm. Die Tendenz geht dabei bei den Inhalten sowohl zu sehr kurzen Texten (wohl der zunehmenden Mobilität der Leser geschuldet) als auch zu sehr langen Romanen, in deren über 1000 Seiten sich Leser lange zeit versenken können.

Thema „Digitalisierung“ hat kopflose Aufgeregtheit der Anfangszeit überwunden

Im Gesamtüberblick lässt sich feststellen, dass das Thema Digitalisierung (endlich) die kopflose Aufgeregtheit und die tiefen Gräben seiner Anfangszeiten verloren hat und zum festen Bestandteil unseres täglichen Geschäfts geworden ist.

Nicolai Eckerlein