New YorkDie TOC in New York ist die Konferenz für alle Verlagsmenschen, die sich mit den Themen Social Media und E-Books beschäftigen. Sandra Michel aus München durfte in diesem Jahr dabei sein. Hier berichtet sie vom zweiten Tag der Konferenz.

Der Dienstag beginnt mit fünf aufeinander folgenden Keynotes. Zum Glück ist keine länger als 25 Minuten; einigen Sprechern reichen sogar fünf Minuten aus. Der erste Vortragende, Peter Collingridge, zeichnet zunächst nach, wie der Wert von Büchern im Einzelhandel gesunken ist, weil es gerade in den USA und in Großbritannien starke Preiskämpfe gab und gibt. Die zunehmende Digitalisierung hat Collingridge zufolge kaum zu diesem Wertverfall beigetragen, denn ihr Einfluss ist erst seit dem Jahr 2009 signifikant. Collingridge zeigt sich zwar sicher, dass Bücher als Applikationen, z.B. für das iPhone, in nächster Zeit an Bedeutung gewinnen werden. Ob es sich dabei um einen irreversiblen Prozess handelt, darauf will sich der Brite jedoch nicht festlegen. Abschließend verweist er bei der Frage, wie erfolgreich Bücher als Applikationen sein können, auf die Musikindustrie, aus deren Fehlern man lernen müsse.

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New York Die zweite Keynote trägt den Titel Law is not a business solution (Sprecher: William Patry). Patry vertritt die Ansicht, dass strengere Urheberrechtsgesetze zwar bestimmte Handlungen unter Strafe stellen können, diese Gesetze aber niemanden dazu zwingen können, Produkte zu kaufen. Entsprechend spricht er sich gegen striktere Gesetze aus und betont, dass Urheberrecht allein noch keine ökonomischen Werte schafft. Für viele Verlage sei es eine Art Wirtschaftsplan, sich auf das Gesetz zu verlassen. Doch das sei auch der beste Weg, um Innovationen zu verhindern. Patry macht sich abschließend für die Entwicklung dynamischer E-Books stark. Diese könnten zum Beispiel als Klassensätze an Universitäten auf bestimmte Jahrgänge zugeschnitten werden. Dies hätte Patry zufolge auch den Nebeneffekt, dass der Weiterverkauf bereits benutzter Bücher minimiert würde. Das wiederum rechtfertige für E-Books einen geringeren Preis als für gedruckte Bücher, da bei diesem Modell mehr Einzelexemplare verkauft würden.

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New York Die dritte Keynote widmet sich der etwas ketzerischen Frage Are Ebooks dead? (Sprecher: Skip Prichard). Scheintot ist vielleicht die richtige Antwort. Prichard macht deutlich, dass Innovationen nicht nur die Lesegeräte betreffen dürften, sondern auch die Inhalte der Bücher  betreffen müssten. Bisher seien E-Books oft nur Kopien gedruckter Bücher und das sei zu wenig. Es gibt in der Verlagslandschaft kein Recht, zu überleben, meint der Sprecher und fordert die Verlage auf, von der Defensive in die Offensive überzugehen. Am Ende seines Vortrags zeigt sich Prichard überzeugt, dass heutige elektronische Lesegeräte und Bücher in fünf Jahren bereits technisch überholt sein werden.

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Die letzte Keynote, Publishing is dead, long live publishing (Sprecherin: Arianna Huffington) betont noch einmal, dass man nicht einem vergangenen Goldenen Zeitalter hinterhertrauern dürfe, wenn man das aktuelle Goldene Zeitalter nicht verpassen wolle. Huffington, Mitbegründerin der Huffington Post, sagt, dass Bücher heutzutage nicht mehr endeten, sondern der Anfang von Unterhaltungen seien.

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Kurz vor 11 Uhr beginnen die Vorträge des zweiten Konferenztages. Zunächst entscheide ich mich für Running two companies – Taking book publishing beyond publishing books (Sprecher: Dominique Raccah). Der Vortrag erfüllt meine Erwartungen nicht ganz und ich verlasse ihn eigentlich nur mit der Erkenntnis, dass man möglichst viele verschiedene Dinge ausprobieren sollte, so lange sie nur ein geringes finanzielles Risiko mit sich bringen. Dafür erhalte ich während des Vortrags einen interessanten Surftipp, den ich euch nicht vorenthalten möchte: https://www.poetryspeaks.com/.

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Es geht weiter mit A different model: Building a digital publishing house (Sprecher: Kassia Krozcer, Angela James). In diesem Vortrag begegnet mir erstmals ein neuer Begriff für das gute, alte Buch: P-Book. Im Verlauf der Konferenz werde ich das noch mehrfach hören. Statt zwischen Buch und E-Book zu unterscheiden, unterscheidet man im englischen Sprachraum zwischen P-Book (P steht für Print) und E-Book. Für das digitale Verlagshaus, das machen die Sprecher sehr deutlich, ist es noch wichtiger, sich als starke Marke zu etablieren, als das für den alleinigen Vertrieb von gedruckten Büchern notwendig ist. Amazon sollte man bei seiner Digitalisierungsstrategie nach Meinung der Sprecher außen vor lassen. Stattdessen sollte man zahlreiche Möglichkeiten schaffen, um digital mit seinen potenziellen Lesern zu interagieren. Das mache viel Arbeit und könne nicht von einer Einzelperson geleistet werden. Ein digitales Verlagshaus brauche ein starkes Team, schließen die Dozenten.

Nach der Mittagspause geht es weiter mit Test driving the digital experience (Sprecher: Sarah Wendell, Malle Vallik). In diesem Vortrag wird deutlich, dass auch für E-Books weitgehend gilt: „Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.“ Will heißen: Vorrangig werden nach wie vor E-Books in Form von PDFs gelesen. Die Dozentinnen sehen die Ursache dafür einerseits darin, dass die Leser PDFs und deren Handhabung bereits vom PC gewohnt sind und daher nicht umlernen müssen. Einen anderen Grund in der Scheu gegenüber neuen Formaten machen die Sprecherinnen darin aus, dass man beim Kauf eines E-Book-Readers noch nicht weiß, ob man diesen auch behält. Gibt man ihn zurück, kann es passieren, dass man auch alle bisher gekauften E-Books verliert, da ein neuer Reader vielleicht das bisher genutzte Datenformat nicht unterstützt. Neben diesen Nachteilen berichten die Sprecherinnen auch von den Vorteilen digitaler Bücher und entsprechender Lesegeräte: In einer nicht repräsentativen Studie haben sie 30 Teilnehmern 90 Tage lang einen E-Book-Reader zur Verfügung gestellt. Insgesamt gaben die Teilnehmer an, dass sie in digitaler Form mehr Bücher gelesen haben, als sie dies zuvor in einem vergleichbaren Zeitraum mit gedruckten Büchern getan hatten.

Link zu den PowerPoint-Folien: https://bit.ly/bvya4c

Der nächste Vortrag greift mit dem Schwerpunkt Kopierschutz ein Thema auf, das in vielen Verlagen kontrovers diskutiert wird. In seinem kurzweiligen Vortrag DRM, digital content, and the consumer experience: lessons learned from the music industry skizziert Kirk Biglione zunächst den Status Quo: Alle seien sich einig darüber, dass in der Musikindustrie beim Thema Kopierschutz Fehler gemacht wurden. Uneinigkeit herrsche nur darüber, welche. Biglione zeigt, dass Produktpiraten heutzutage nicht mehr unbedingt darauf aus sind, finanzielle Gewinne zu erzielen. In gewisser Weise machten sie sogar Marketing für den Inhaber der Rechte. Eine von Bigliones wichtigsten Botschaften ist, dass man den Menschen die Möglichkeit geben müsse, gute, nicht-kopiergeschützte Inhalte zu erwerben. Schließlich werde der Kunde immer bekommen, was er wolle. Wenn nicht offiziell von uns als Verlage, dann von weniger offiziellen Downloadseiten.

Interessant ist auch Bigliones Exkurs zum Thema Lesegeräte, den er ebenfalls mit einem Vergleich mit der Musikindustrie beginnt. In der Musikbranche hätten sich alle an einen Standard (DRM) gehalten. Bis auf Apple mit dem iPod. Dennoch habe sich, entgegen der ursprünglichen Erwartungen, der Einzelkämpfer Apple mit dem neuen Standard (DRM-free) durchsetzen können. Erwartet uns eine ähnliche Entwicklung auch beim Kindle? Ist er der iPod der Buchbranche? Auch bei E-Books halten sich die meisten Lesegeräthersteller weitgehend an einen Standard (ePub) und amazon geht mit dem Kindle (Mobipocket) einen Sonderweg. Wird sich die Geschichte wiederholen und das ehemalige Minderheitenformat wird zum Standard?

Link zu den Slides: https://bit.ly/cicUN2

Endlich, Zeit zum Durchatmen. Eine reichliche Stunde lang steht nun Ignite auf dem Programm. Dabei handelt es sich um ein Vortragskonzept, bei dem jeder Sprecher exakt fünf Minuten Zeit hat, um seinem Publikum mittels 20 Folien, die automatisch alle 15 Sekunden wechseln, ein Thema näherzubringen. Ich nutze die Zeit lieber, um das in den vergangenen Tagen neu gewonne Wissen zu sortieren und endlich einmal ein paar E-Mails zu beantworten. Schließlich ist mein Ausflug nach New York ganz nebenbei eine Dienstreise. Die letzten beiden Ignite Talks sehe ich noch, dann bilden drei kurze Vorträge und ein Gespräch zwischen dem Hausherrn der Konferenz, Tim O’Reilly, und Ray Kurzweil für mich den Abschluss des Tages.

Sandra Michel