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Virenschleuderpreis 2013
© Luka Maria Schuchard

Es regnet. In Strömen. Mit einem halben Crêpe in der Hand und der Kapuze tief ins Gesicht gezogen mache ich mich auf zur Open Stage auf der Agora. Es ist Donnerstagabend, etwa 17.45 Uhr und bis jetzt ist gar nichts los. Einige wenige sitzen auf Bierbänken und Plastikstühlen, eingewickelt in Buchmessen-rote Fleecedecken. Die wenigen Gäste sehen verdächtig nach Metadiskussionen aus: Journalisten und Marketingleute. Langsam, aber sicher füllt sich dann aber der Raum unter der weißen Kuppel. Mikros und Sound werden getestet und ich sichte Initiator Leander Wattig neben der Bühne.

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Leander Wattig und Wibke Ladwig
© Luka Maria Schuchard

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Virenschleuderpreis-Gewinner
© Luka Maria Schuchard

Gegen Viertel nach Sechs betreten die Moderatoren Leander Wattig und Wibke Ladwig (Kommunikationswerkstatt Sinn und Verstand) die Bühne. Wibke Ladwig reißt den mittlerweile dicht gefüllten Zuschauerraum aus Träumen und Gesprächen: „Stellen Sie die Gespräche ein und die Sitze hoch!“ Gut gelaunt begrüßen sie das Publikum zum mittlerweile dritten Virenschleuderpreis und entschuldigen die zum „Analog-Twittern“ angekündigte Christiane Frohmann. Sie steckt wegen starker Regenfälle im Zug fest, wird aber später kommen (Spoiler!). Dem Publikum einheizen, bevor die Preise verteilt werden, soll nun also Nils Bokelberg. Die Moderatoren kündigen an, dass dieser uns erzählen wird, warum Bücher schon immer Virenschleudern waren. Es folgt ein einigermaßen nebulöser Vortrag über den Zusammenhang zwischen Büchern und Musik. Nach verschiedenen Videos, in denen unter anderem die Bücher der Bibel vorgesungen wurden, singt Nils Bokelberg den „Erlkönig-Rap“ mit. Zwischendurch bewirbt er immer wieder sein gerade erschienenes Buch. Sein Fazit: Bücher und Musik haben Buchstaben, Mühe und Konkurrenz gemeinsam; Bücher sind überall und inspirieren. Aha.
Leander Wattig und Wibke Ladwig tauchen wieder auf der Bühne auf und erklären das Konzept des Virenschleuderpreises, der ansteckendes Marketing sichtbar machen soll. Damit sind „alle Nominierten Gewinner“. Der Virenschleuderpreis wurde in diesem Jahr das erste Mal in drei Kategorien vergeben: Marketingstrategie, Marketingidee und Persönlichkeit. Für Longlist und Shortlist konnte man im Internet abstimmen, die Gewinner wurden dann von einer Jury aus den Shortlists ausgewählt. Wibke Ladwig stellt die Jury vor. Neben ihr selbst waren Zoë Beck (Schriftstellerin und Mit-Gründerin CULTurbooks), Claudia Michalski (Geschäftsführerin der Handelsblattgruppe), Olaf Kolbrück (Krimiautor und Redaktionsleiter Etailment), Jochen Mai (Social Media Manager Yello Strom und karrierebibel.de) und Frank Krings (Social Media Manager der Frankfurter Buchmesse) vertreten. „Tatatataaa“, ruft Wibke Ladwig dem Publikum zu, die Moderatoren stellen die erste Shortlist vor.

In der Kategorie „Persönlichkeit“ sind unter anderem Annette Schwindt, die engagiert Medienkompetenz fördert, und Frithjof Klepp, Gründer der Buchhandlung ocelot, nominiert. Der Preis soll an eine Persönlichkeit gehen, die im vergangenen Jahr besonders ansteckend gewirkt und Aufmerksamkeit für ein Thema generiert hat. Bevor der Sieger verkündet wird, werden noch die neuen Pokale präsentiert, die in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen werden. Leander Wattig verspricht, dass die Sieger der letzten Jahre „nachgerüstet“ werden. Lars Fischer (@fischblog) wird zum Sieger der Kategorie „Persönlichkeit“ gekürt und begeistert beklatscht. Der spectrum.de-Redakteur mit Twitter-Fangemeinde hatte unter dem Hashtag #catchthekidney auf das Thema Organspende aufmerksam gemacht. Er benötigte auch selbst ein Spenderorgan, das er glücklicherweise von seiner Mutter erhielt. Auf der Bühne wird ihm der stachelige Plexiglasviruspokal überreicht. Vollkommen überrascht hatte Lars Fischer keine Dankesrede vorbereitet und sagt: „Das ist kein reines Marketing, das ist real. Mit Niere.“ Er scherzt über die Niere, die er „dabei hat“, und dass man ihm lieber fern bleiben solle, weil er erkältet sei. Ich denke bei dieser Bemerkung kurz an die Virenschleuder Buchmesse, die in diesem Jahr als Wirkbeschleuniger 6 Grad und Nieselregen hat.

Nach dieser ersten sympathischen Virenschleuderpersönlichkeit wird die Shortlist der Urkategoriedes Marketingpreises, die „Marketingstrategie“, vorgestellt. Nominiert waren unter anderem die Video-Wein-Show „Wein am Limit“ und die Initiative „BuyLocal“. Jede Nominierung hat ihre eigene Fankurve und es wird enthusiastisch applaudiert. Wibke Ladwig versucht vor der Verkündigung des Siegers, das Publikum zu animieren, eine La-Ola-Welle zu machen. Trotz toller Kandidaten klammern sich wir uns dann größtenteils lieber zitternd an unsere Biere und Heizpilze. Der Sieger wird verkündet: Die Brandsatz GmbH überzeugte die Jury mit ihrem Bloggermarketing zur Graphic Novel „Alisik“ aus dem Carlsen Verlag. Kim Kastir, Communitymanagerin, nimmt den Preis entgegen und erklärt –- obwohl auf der Bühne stehen „nicht ihr Ding“ ist – das Konzept, wie die Blogger zur Mitgestaltung motiviert wurden.
Dritte Runde: „Marketingidee“. Während bei der Marketingstrategie die erfolgreiche Umsetzung wichtig ist, zählt in dieser Kategorie vor allem die Originalität der Idee. Hier sind besonders viele Ideen aus Netzwerken vertreten, unter anderem die Blogger-Initiative „We read Indie“ und der Verlag mikrotext, der E-Book-Singles veröffentlicht. Leander Wattig und Wibke Ladwig rufen die mittlerweile eingetroffene Christiane Frohmann auf die Bühne, der Preis geht an den Katersalon. In ihrer kurzer Dankesrede betont sie, dass das Projekt gar nicht so „schräg“ sei wie angenommen. Der Katersalon findet monatlich statt und verknüpft den traditionellen Literatursalon mit Performancekunst. Nun kann das Publikum die drei Gewinner bestaunen und es wird noch ein schnelles „Gruppenbild mit Virus“ gemacht.

Bevor sich das Publikum zerstreut, kommt Katja Splichal (Ulmer Verlag) auf die Bühne und lobt Leander Wattig für sein überragendes Engagement und Vernetzungsideen wie „Ich mach was mit Büchern“ oder den Stammtisch „Pub’n’Pub“. Etwas verschämt guckt Leander Wattig zur Seite, als sie ihn einen „total knuffigen Typ“ nennt, grinst dann aber bei der Ankündigung seines Geschenks: Mittels „crowdfunding“ (Zitat Katja Splichal) kam ein Gutschein für eine Ganzkörpermassage zusammen. Das Publikum lacht und freut sich auf das nächste Jahr. Zu den Beats von DJ Stupid Deep vergessen wir das Herbstwetter und denken über die vielen innovativen und ansteckenden Marketingideen nach, die der Virenschleuderpreis einmal mehr sichtbar gemacht hat.

Luka Maria Schuchard